Sonntag, 5. Mai 2024

Coast 2 Coast Iberia C2C a

 C2C a Valencia - Madrid

Ihr glücklichen Augen,
Was je ihr gesehen.
Es sei, wie es wolle,
Es war doch so schön!
          J.W. Goethe

Planung und Anreise nach Valencia

Es gerade sechs Wochen her, dass ich von der großen Reise durch Nicaragua und Bolivien zurückgekehrt bin. Ich habe mich gerade erst in Ginsheim wieder eingelebt. Aber unwiderstehlich zieht es mich erneut hinaus. Und natürlich, Thomas und ich haben auch für dieses Jahr wieder eine große Radtour geplant. Wie immer in den letzten 10 Jahren. Diesmal geht es nach Spanien, wie schon einmal 2019. Diese Reise hatte es uns angetan, wir hatten Spanien, seine wunderbaren Landschaften und Städte entdeckt und waren begeistert. Also  noch einmal Spanien. Aber diesmal eine völlig andere Route. Von Valencia aus Richtung Westen über Quenca, Madrid, Salamanca nach Portugal bis Porto an der Atlantikküste. Von dort, diesmal nordwärts, immer die Küste entlang, Durch Galizien, das Baskenland, bis Bordeaux in Frankreich. Von dort aus soll es Mitte Juli per Bahn nach Hause gehen. So unser Plan.

Leider ergab sich wenige Tage vor der Abreise eine gravierende Änderung. Thomas, der Freund, der diese Reise wie immer akribisch geplant hatte, kann aus persönlichen Gründen vorerst nicht mitfahren. Leider. Aber alles war vorbereitet, die Zugtickets gebucht, das Rad gepackt. So entschloss ich mich, trotzdem zu fahren. Thomas will nachkommen sobald ihm das möglich ist. Vorerst fahre ich aber alleine. Etwas ungewohnt, aber doch frohen Mutes und in der Hoffnung, dass Thomas bald dabei sein kann.

So fuhr ich denn am Mittwoch, den 8. Mai wie geplant mit dem Zug bis nach Avignon. Dort blieb ich drei Tage, Denn Avignon ist ein Traum von einer Stadt. Ich schlenderte durch die engen Gassen der Altstadt, bewunderte die schönen, mittelalterlichen Gebäude, besuchte das Palais du Pape, päpstliche Residenz im 14. Jahrhundert. Genuss pur, nette Cafés, köstliches französisches Essen und guter Rotwein. Bei strahlender Sonne machte ich zwei ausgedehnte Radtouren in die Umgebung, nach Norden in Richtung Mont Ventoux und zum Pont du Gard. Einfach herrlich.








Als weniger angenehm entpuppte sich die Weiterreise nach Spanien. Zum Grenzort Portbou kam ich fahrplanmäßig. Doch dann begann das Abenteuer. Es zeigte sich, dass die spanische Bahn offenbar nicht besser funktioniert als die deutsche. Die Regionalzüge in Richtung Barcelona waren alle gestrichen, wie man mir sagte,  hatte jemand wichtige Kabel geklaut. Gott sei Dank gab es zumindest einen Ersatzzug, der auch gefühlt Stunden später losfuhr, nachdem man den erforderlichen Zugführer aufgetrieben hatte. Er brachte mich und andere irritierte Reisende bis 20 km vor Barcelona. Die anderen Reisenden mussten sich dann in Ersatzbusse drängen, ich fuhr den Rest bis ins Stadtzentrum fröhlich mit dem Fahrrad auf tollen, hervorragend ausgebauten Radwegen.  

Am folgenden Tag sollte es weiter mit dem Zug nach Valencia gehen. Aber weit gefehlt. Immer noch waren sämtliche Regionalzüge um Barcelona ausgefallen, aus technischen Gründen, auch für die nächsten Tage. Was tun? In Fernzügen hatte ich mit dem Fahrrad keine Chance. Der Bahnbeamte gab mir den Tipp, es mit einem Bus zu versuchen. So radelte ich quer durch Barcelona zum Busbahnhof Nord und siehe da, es klappte. Das Busunternehmen Salsa nahm mich inclusive Fahrrad mit.  Am späten Nachmittag. Aber immerhin. Das Fahrrad musste ich in eine große Tasche verpacken, die man mir zusätzlich zum Ticket verkaufte. Mit abmontiertem Vorderrad. So erreichte ich am späten Abend València. 

Valencia

Ich blieb zwei Tage in Valencia. Es ist eine wunderschöne Stadt, mit einem zauberhaften historischen Zentrum und einiger avantgardistischer Bauwerke in der „Ciudad of Art and Ciencias“. 




Ich hatte ein nettes Zimmer in einem „Shared Apartment“ in der Nähe der Altstadt gebucht, allerdings im sechsten Stock mit einem winzigen Aufzug. Die Gastgeberin bereitete mich schon drauf vor, dass ich mein E-Bike durch das enge Treppenhaus hochschleppen müsse. Doch dann fiel ihr ein, dass Papa in der Nähe eine Garage hat. Ein kurzer Anruf, und es klappte und ich konnte mein Rad dort unterstellen. Gott sei Dank.





Am ersten Tag nahm ich an einer Free Walking Tour teil, um einen Überblick zu bekommen und anschließend auf eigene Faust durch die historische Altstadt zu schlendern mit ihren schönen Plätzen, der Kathedrale, dem Kunstmuseum und vor allem den zahlreichen „Bauwerken des Modernisme“, erbaut in den Anfängen des 20. Jahrhunderts. Wie den Zentralmarkt, den Mercado de Colón, das Rathaus, das Postamt, den Nordbahnhof und zahlreiche Bürgerhäuser. Herrliche Gebäude, eine Augenweide. Natürlich war ich auch im „Museo de Bellas Artes“. Der Schwerpunkt der Darstellung des Leiden Jesu und seine Jünger aus der Zeit der Gegenreformation stieß allerdings nicht ganz auf meine Begeisterung.







Valencia ist offensichtlich recht innovativ. Nach häufigen Überschwemmungen hat man den Fluss Turia in den fünfziger Jahren aus der Innenstadt verbannt und an den Stadtrand verlegt. Das ehemalige Flussbett gestaltete man als über 10 km lange Parklandschaft. Während eines Spaziergangs dort lief mir der Wiedehopf über den Weg, auf zwei Metern Entfernung. Unglaublich. Bei uns er eine absolute Rarität.





 In diesem Areal wurden zudem faszinierende avantgardistische Gebäude errichtet, die Ciudad de las Artes y las Ciencias. Das Kunstmuseum Reina Sophia, das Museum der Wissenschaften, ein Opernhaus, ein Konzerthaus, die Ozeanografic. Sehr ausgefallene, innovative Architektur. Als früherer Aquarianer interessierte mich vor allem die Ozeanografic.  Es ist die größte Einrichtung seiner Art in Europa und präsentiert die maritimen Lebensbereiche aller Klimazonen der Welt mit ihrer Tierwelt in faszinierender Weise. Ich war begeistert.

Tour Valencia- Chulilla, 79km, 700 Höhenmeter 

Endlich konnte ich in die Pedale treten. Es wurde ein herrlicher, sonniger Tag. Zunächst ging es quer durch die Stadt, dann folgte ich dem naturbelassenen Rio Turia für weitere gut 20 km auf einem recht beschwerlichen Schotterweg. Immer wieder führte der Weg durch mannshohes Schilf. An zwei Stellen gab es ausgedehnte frühere Brandflächen, denen auch die beiden Brücken über den Fluss zum Opfer gefallen waren, so dass ich mir Alternativen suchen musste.




 Es folgte ein wunderschöner Radweg auf einer ehemaligen Bahntrasse bis etwa zur Stadt Lliria. Links und rechts gab es ausgedehnte Orangenhaine. Es folgte eine Radstrecke entlang einer Autostraße, daneben riesige Lagerhallen, offenbar ist hier ein Logistikzentrum. Das ist nicht schön. Die letzten ca 15km vor dem Zielort Chulilla wurde es zunehmend bergig.






 Der Ort Chulilla liegt malerisch oberhalb eines tief eingeschnittenen Canyons. Ich ging einen Rundweg oberhalb des Canyons, der mir gute Ausblicken in die Schlucht bot. Dabei konnte ich in den steilen Wänden Kletterer beobachten. Oberhalb des Ortes liegt eine Burgruine, von den Mauren begründet und ab dem 13. Jahrhundert von Christen weiter ausgebaut und genutzt. Ein interessanter Ort. Meine Bleibe war das Hostal El Pozo.







Chulilla - Castillo de Moya, 91km, ca 2.000 Höhenmeter

Dieser Tag brachte mich absolut an meine Grenzen. Er versprach sehr sonnig zu werden. Später am Nachmittag zogen Wolken auf, es blieb aber trocken. An den letzten Tagen setzte jeweils um etwa 11:00 Uhr ein heftiger, frischer Westwind ein, ähnlich, wenn auch nicht ganz so stark wie wir das aus Patagonien kannten. Dieser Gegenwind ist ziemlich kräfteraubend.

Die Strecke führte zunächst 5 km zurück und anschließend weiter durch eine schöne Berglandschaft. Es ging durchweg eine wenig befahrene Straße entlang, mit einem ausreichend breiten Seitenstreifen. Ich fuhr stetig, teils kräftig, bergauf, insgesamt auf diesem Streckenteil 1.300 Höhenmeter. Links und rechts begleiteten mich überwiegend Olivenhaine, teils auch noch Obstplantagen. Später folgten tief eingeschnittene Canyons, tief unten der Fluss Turia. Kurz vor Santa Cruz der Moja kam dann, als Belohnung für den langen Aufstieg, eine kilometerlange schöne Abfahrt.

Eigentlich war dieser Ort als Schluss der Tagesstrecke geplant. Dummerweise hatte ich hier keine Unterkunft gefunden, so dass ich nach einer Alternative suchen musste. Ich fand sie in Castillo de Moya, ca . 20 km weiter, allerdings nicht weit entfernt von der weiteren Tourenstrecke. Nur, dieser Abschnitt begann mit einem steilen, anstrengenden Aufstieg von über 400 Höhenmetern auf kurzer Strecke. Anschließend führte mich mein GPS über kilometerlange, schwer zu fahrende Feldwege.  Offenbar die kürzeste Strecke. Obwohl ich sparsam gefahren war, selbst auf Anstiegen oft nur in der niedrigsten Stufe, ging meine Batterie allmählich zur Neige. Schließlich hatte ich das Ziel Castillo de Moja vor Augen. Aber oh Schreck. Ich hätte es mir aufgrund des Namens denken können, es war es ein Schlossruine, hoch oben auf einem Berg. Es half nichts, ich musste hinauf. Die ersten Serpentinen schaffte meine Batterie noch, doch dann gab sie ihren Geist auf. Ich musste mein schweres E-Bike die letzten mehrere 100 m hochschieben. Fix und alle kam ich oben an. Insgesamt 2.000 Höhenmeter an einem Tag, das war verdammt viel. Die Belohnung war ein wahnsinnig schöner Rundblick, den ich aber gerade nicht recht genießen konnte. Aber die Unterkunft „La Albacara“ entpuppte sich als Super Hotel, dessen einziger Gast ich in dieser Nacht war. Als Abendessen bekam ich ein vorzügliches mehrgängiges Menü serviert. Das versöhnte mich mit der Anstrengung des Tages. 

Castillo de Moya - Fuentes  83km, 500 Höhenmeter

Wieder war es ein herrlicher Tag, sonnig, morgens frisch, aber aufgrund des Windes auch nachmittags kaum über 20 Grad. Ideales Radelwetter. Schade, dass Thomas nicht dabei ist. Ich hoffe sehr, dass er nachkommt. Aber trotzdem, auch als Alleine-Radler geht es mir gut. Es ist einfach schön, den ganzen Tag draußen zu sein, Sonne und blauer Himmel über mir, unterschiedliche Landschaften und Vegetationen wahrzunehmen, sich seinen Gedanken hinzugeben, sich körperlich auszuagieren, so dass ich abends rechtschaffen müde bin. So geht es mir verdammt gut. Die Welt ist wunderschön. Noch schöner wäre es nur noch zu zweit.

Jetzt, am Morgen, konnte ich den herrlichen Rundblick von der Burg aus genießen. Vorher bekam ich ein fürstliches Frühstück mit Rührei, dicken Scheiben Serrano-Schinken, Tostadas, also geröstetes Brot mit einem Tomatenmus und Olivenöl (hier ein häufiges Frühstück). Das brauchen Sie für Ihre Radtour heute, meinte die Bedienung, ein netter, angehender Geschichtslehrer. Offenbar fand man das bewundernswert mit meiner Radtour. Und dann kam die Abfahrt, wo ich tags zuvor schieben musste, herrlich. 

Nach ca 6 km hatte ich unsere Route wieder erreicht. Es ging den ganzen Tag eine schöne, wenig befahrene Straße entlang, wieder durch eine herrliche und abwechslungsreiche Landschaft. Bergig, mit lichten Kiefernwäldern, eine lange Strecke auch eine Art Macchia, steiniger Boden mit stacheligen Hecken und niedrigem Bewuchs, mediterrane Natur eben. Begleitet wurde ich von dem Gesang der Vögel. Arten, die bei uns selten sind wie die Heidelerche, die Grauammer oder eben der Wiedehopf sind häufig. Ich bewegte mich auf einer Höhe von ca 900 bis 1.200 Metern, einfach zu fahren bei weniger Steigungen als gestern. Wenn nicht wieder der heftige Gegenwind wäre. 

Das Land ist irgendwie leer, sehr dünn besiedelt, ca alle 15km mal eine Ortschaft. Auffallend ist auch, dass ich bislang keinem einzigen Tourenradler begegnet bin, auch sonst gibt es wenige Radler. Offenbar ist die Strecke wenig bekannt. 

Später ging es entlang des Flüsschens Rio Cabriel. Rechts erhoben sich steil aufragend bizarre rote Sandsteinformationen, wunderschön. 

Ich hatte nicht das ursprünglich geplante Carboneras de Guadazon als Ziel genommen, sondern fuhr noch 20 km weiter bis Fuentes, zumal ich heute am Anfang später eingesetzt hatte. Dort blieb ich im einfachen, aber netten Hostal Los Palancares. Die Küche im einzigen Restaurant am Ort öffnete erst um 21.00 Uhr. In Spanien isst man halt verdammt spät. Mir war das zu spät, so begnügte ich mich mit einigen Tapas von der Theke.

Fuentes - Cuenca   20km

Es war nur ein kurzer Sprung bis Cuenca, zudem meist bequem bergab. Ich fuhr früh los, so dass ich noch an einer Stadtführung teilnehmen konnte. Cuenca ist eine von nur 15 Städten in Spanien, die als UNESCO-Weltkulturerbestätte ausgezeichnet sind. Sie trohnt mit ihrer mittelalterlichen Altstadt hoch oben auf einem steilen Felsplateau. Weltweit berühmt sind ihre „Casa Colgadas“, hängende Häuser. Sie wurden im 14.  Jh. erbaut und ragen in schwindelerregender Höhe über die Felsen hinaus. Die Innenräume werden als Museum für abstrakte Kunst Spaniens genutzt. Wie in Valencia wieder ein Beispiel für eine gelungene Synthese zwischen Alt und Neu.

Ich wohnte im Hostal Posada Huecar und nutzte diesen Tag gemütlich als Ruhetag. Die 20 km am Morgen, was war das schon!



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