C2C 004 Crossing the Appalachian Trail



Einkaufsmöglichkeiten sind rar, oft sind wir auf kleine stores oder Tankstellen angewiesen, gleichzeitig lokale Treffpunkte, man kennt sich, grüßt sich in für uns schwer verständlichem Slang. Immerhin, hier gibt es kalte Cola und heißén Kaffee, letzteren meist umsonst. So auch am Flecken „White Hall“ dort gibt es Wyant‘s Store „General Merchandise“. In dem Laden hängt ein Schild für 30 Jahre treue Dienste als Shell Tankstelle. Datum 1959. Angeblich gibt es den Laden seit 1865. Hier gibt es alles was das Herz begehrt. Sogar trinkbaren Kaffee – aber auch Motoröl. Tante Emma kann da einpacken  



Auch die Städte sind sehr überschaubar, Wytheville hat fast 7000 Einwohner und den Charme eines Gewerbegebietes mit so ziemlich allen Fast-Food-Ketten, die es gibt, und davor riesige Parkplätze. Damascus hat nur 1.000 Einwohner, spätestens um 19.oo Uhr sind alle Lokale dicht, gerade noch ist es uns gelungen, einen miserablen Hamburger zu erstehen und nebenan einige Dosen Bier. Das Bier in einer Plastiktüte verstaut, denn Alkohol darf weder offen transportiert noch öffentlich getrunken werden. Also setzten wir uns gemütlich auf eine Bank vor das kirchliche Hostel, in dem Heiner logierte. Bis der Geschäftsführer kam: Alcohol in the church is not allowed. Also versteckten wir unser Budweiser in Taschen und verzogen uns auf eine etwas verborgene Bank hinter dem B&B von Maria und Ralf. Immerhin, ein schönes Plätzchen am Fluss mit Abendstimmung.



Damascus ist ein weiterer Trittstein von Appalachian-Trail-Hikern, wir treffen sie hier zuhauf, wirklich verwegene Madel und Burschen. Zwei davon, junge Amerikanerinnen, kommen erst um 21.30 Uhr an, nach unglaublichen 31 Meilen Fußmarsch, das sind 47 km. Sie konnten kaum noch auftreten. Eine davon war Sherry, mit dem Trailnamen Amazon, die am nächsten Morgen begeistert von Kansas erzählte, durch das wir noch kommen würden.



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Und man kommt wirklich mit jedem sofort ins Gespräch. Jeder spricht einen an, hat ein paar nette Worte. Man fühlt sich absolut willkommen. Die Amerikaner werden häufig als oberflächlich bezeichnet. Und es gibt auch bestimmt viele Tabus über die man nicht sprechen sollte – aber lieber oberflächlich freundlich als tiefgründig misanthrop.





Wir kamen an Natural Bridge vorbei, einer geologischen Formation und Sehenswürdigkeit. Bei Lexington. Eine natürliche Steinbrücke ca. 30 Meter hoch – sieht wirklich ganz beeindruckend aus. Maria und Ralf übernachteten in einer Pension und berichten: Wir werden von unserer Pension zu einer Nachtveranstaltung eingeladen. Mit dem Bus werden wir dort hingefahren, man hätte auch laufen können.
Das Thema der 30 Minuten Show: The Drama of Creation. Anstatt von geologischen Prozessen zu berichten, wird die Genesis (1. Buch Moses: Die Schöpfung/Sechstagewerk) rezitiert. Die natürliche Brücke wird in Farben verhüllt, der Text der Schöpfung vom ersten bis zum siebten Tag sonor vorgetragen, untermalt von klassischer Musik (Liebestraum von Ormandy, Moldau von Smetana oder auch Auszüge aus die Schöne und das Biest). Dazwischen wird das Vaterunser gesungen. Elephantöser Kitsch. Wahnsinn. Mein amerikanischer Nachbar ist schwer beeindruckt. Wonderful! Auch das ist Amerika.


 Ich fühl mich wie in Ginsheim, am Rhein.






 Unser 9.Radtag, wir fahren bis Troutville


Virginia umfasst flächenmäßig ein Drittel der Bundesrepublik mit 8 Mio Einwohnern. Es ist kein Trump-Land, er hatte bei der Wahl 34,7%, Clinton 64,3. Offensichtlich gehört es zu den wohlhabenderen Staaten der USA, viele eindrucksvolle Landsitze mit mehreren 1000 qm Rasenfläche belegen das, immer hübsch gemäht oder gerade dabei, gemäht zu werden. Es ist ein typisches Bild: ein Bewohner mit motorisiertem Sitzmäher, der wieselflink über den Rasen kurvt. Fühlt sich wahrscheinlich an wie Go-Kart-Fahren.




Historisches Haus mit Jail in Newburn

Mesnern, typische historische Haeuser der Gegend


Eigentlich wenig Verkehr. Wehe, es kommt doch ein Auto, dann muss man verkniffen guckenund auf dem Strich balancieren

Immer wieder sind wir über die Amerikaner überrascht. Nehmen wir zum Beispiel das Bild „Big Ass Truck Drive“, amerikanische Flagge inklusive Hundebilder. 100% Trump Wähler. Red Neck!



Dann treffen wir ihn. Kevin. Landwirt im Nebenerwerb. 100% Öko. Seine 20 Kühe bekommen ausschließlich Gras zum Fressen – keine Zusatzstoffe. Netter Typ. Oder später. Wir machen eine Rast. Da kommt ein älteres Ehepaar und bringt uns Obst aus dem Kühlschrank. Eine Köstlichkeit bei fast 30 Grad und vielen Hügeln. Einfach so. Aus Nettigkeit.



Oder in dem Fahrradgeschäft. Wir wollen nur unsere Räder aufpumpen. Kein großes Business für einen Fahrradladen. Da hier alle Autoventile haben, braucht Ralf für

seine „französischen Ventile“ einen Adapter. Die Fahrradfrau gibt ihm einen. Dann will er ihr den Adapter abkaufen. Das geht jetzt nicht mehr, sagt sie. Der ist ja jetzt „used“ (von Ralf). Dafür könne sie kein Geld mehr verlangen und gibt ihn umsonst.





8.Juni. 

Wir uebernachten in Elk Garden Hostel. Morgen gehts auf die letzte Etappe
in Virginia

Berge, Berge, Berge, nehmen denn die Appalachen gar kein Ende? Kaum einen Berg hinab gerollt, muss man sich den nächsten hoch quälen, manchmal 200 oder 300 Höhenmeter Täglich sind es 800 – 1000, einmal 1.350. Da kommt fast Neid auf gegenüber den Harley-Fahrern, die lässig winkend vorbei ziehen. Vielleicht sollte man solche Trips doch Jüngeren überlassen. Warum wir das tun? Eine rationale Begründung gibt es sicherlich nicht. Trotzdem – irgendwie ist es faszinierend. 1.225km sind wir inzwischen geradelt, ein knappes Fünftel der Gesamtstrecke.
“The best rides are the ones where you bite off much more than you can chew, and live through it.”
Doug Bradbury


Ghostrider to Coastrider:
Nach meiner Hüft OP bin ich nun in der Reha-Klinik und versuche, schnell wieder fit zu werden, um die letzten zwei Monate noch mitzufahren auf der C2C Tour. In der Zwischenzeit nehme ich an euren Radabenteuern als Ghostrider teil und mache für euch diesen Blog.

Thomas in der Dr.Baumstark Klinik, radelt im Geiste mit




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