003 Auf in die Appalachen gen Westen


Der offizielle Bike Track beginnt in Yorktown. Wir sind in Washington gestartet und über Fredericksburg bis Mineral (Lake Anna) gefahren um hier auf den C2C Track zu treffen.



Landschaftlich gefällt uns Virginia bislang sehr. Es ist parkähnlich, sehr bewaldet, von Wiesen unterbrochen, ab und an Weinberge, kleine Seen, hügelig. Links und rechts des Weges immer wieder kleine Siedlungen oder einzelne Häuser, ganz in weiß aus Holz gebaut, teilweise sind es recht herrschaftlich anmutende Anwesen. Je weiter wir kamen umso dünner war die Besiedlung. Hier ist alles eine Nummer größer, die Weite der Landschaft, die Größe der Autos und der überdimensionierten Camper, der Becher des Americano, des Kaffees hier, und die Größe der Pizza, die wir einmal in einem Restaurant verspeisten. Dagegen eher klein und kruschelig waren die stores, die immer mal wieder am Wegrand waren, Kramläden, die auf kleinstem Raum so ziemlich alles hatten, was man zum Überleben braucht, Lebensmittel, Süßigkeiten, Geschirr, Antiquitäten, bis hin zu Angelzeug. Für uns waren sie für den Lebensmittel-Nachschub lebenswichtig, und für eine Pause mit einer Tasse Kaffee und einem Plausch mit dem Inhaber sowieso.

Am Anfang nutzen wir teils stark befahrene Straßen, meist aber mit Seitenstreifen, später dann fast nur noch wenig befahrene Nebenstrecken. Es ging stetig hoch und runter, rolling hills eben, mäßig zwar am Anfang, aber es summierte sich doch auf 500 bis 800 Höhenmeter täglich. Unser Tagespensum war etwa 60 – 70 km. Das Wetter ist durchwachsen, es regnete des öfteren und war überwiegend bewölkt und nicht zu heiß. Fürs Radfahren eher angenehm, abgesehen von den Regengüssen. Sehr angetan waren wir von dem Fahrverhalten der Amerikaner, überaus rücksichtvoll, mit viel Respekt, Abstand haltend, an unübersichtlichen Stellen geduldig hinter uns fahrend, im Vorbeifahren oft mit einem Winken oder dem Daumen hoch als Zeichen der Anerkennung.







Wir übernachteten überwiegend auf Campingplätzen, die hier großzügig angelegt sind, immer mit Bänken und Tischen an jedem Platz. Mitten in den Appalachen mussten wir wild campen auf einer Wiese am Wegrand, es gab einfach nix. Unsere Lebensmittel hingen wir brav in einer Packtasche an einen Baum, wegen der Schwarzbären. Abends gab Campingküche, meist Nudeln. Maria entpuppte sich als hervorragende Köchin, die selbst einfachste Gerichte mit wenigen Zutaten sehr lecker zubereiten konnte. Und nach einem langen Radeltag langen wir kräftig zu.

Nach Charlottsville war es dann vorbei mit dem eher sanften Auf und Ab. Wie ein Riegel bauten sich die Appalachen vor uns auf, ein Gebirgszug, der sich von Nord nach Süd durch fast den gesamten Osten der USA zieht. Für uns ein Hammer-Anstieg, auf über 1000 Höhenmeter an einem Tag, stundenlang schweißtriefend immer in den niedrigsten Gängen bergauf entlang des Blue Ridge Highway. An diesem Tag schafften wir „nur“ 40km, aber die hatten es in sich. Belohnt wurden wir durch herrliche Ausblicke hinunter ins Tal und auf die umliegende Bergwelt. Der Highway ist eine beliebte Ausflugsstrecke, und es war Feiertag, der Memorial-Day, mit besonders viel Verkehr, Harleys ohne Ende zogen gelassen mit ihrem tiefen sound an uns vorbei.

Immer wieder treffen wir auf andere biker, die ebenfalls die TransAm machen, den Dänen Rasmus, den Holländer Peter, zwei aufgeschlossene junge Amerikaner, für ihr Alter erstaunlich gut informiert, mit denen wir beim wilden Campen abends eine interessante Diskussion hatten und die zu Trump entsetzt den Kopf schüttelten. Alle sind um Jahrzehnte jünger als wir, als der Senior Heiner sowieso, fahren schneller und nehmen sich ganz andere Tagesstrecken vor. Aber immer gibt es einen netten Austausch.

Sehr angetan sind wir von der Freundlichkeit und unglaublichen Offenheit der Amerikaner, auf die wir treffen. Überall werden wir interessiert angesprochen, auf Campingplätzen, bei Kaffeepausen, an fast jedem Aussichtspunkt auf dem Blue Ridge Highway, es kommt zu freundlichen Zurufen, netten Gesprächen, guten Wünschen. Das ist wirklich außerordentlich erfrischend. Als wir nach dem Anstieg in den Appalachen wild zelteten, hatten wir so gut wie kein Wasser mehr. Daraufhin sprachen Ralf und Maria vorbeikommende Autofahrer an, ob sie Wasser für uns hätten. Der Erfolg war überwältigend. Innerhalb kurzer Zeit hatten wir an die zehn Liter Wasser, mehr als genug, um die Nacht zu überstehen. Eine junge Frau brachte sogar eine Stunde später noch mehrere Flaschen Wasser vorbei. Ob wir in Deutschland ähnliche Erfahrungen gemacht hätten?

Das waren erste Eindrücke nach einer Woche auf der TransAm. Auf jeden Fall geht es uns sehr gut, wir genießen jeden Tag, freuen uns an der wunderschönen Landschaft, den Begegnungen, dem Draußen-sein in der Natur und gerade auch an der körperlichen Anstrengung. Nach sieben Tagen Radeln legen wir jetzt bei Lexington einen Pausentag ein, wohlverdient, wie wir meinen. Die Strecke, die wir bislang gefahren sind, nimmt sich auf der großen US-Karte noch sehr bescheiden aus, aber es ist ein guter Anfang. Morgen geht’s weiter, noch gut eine Woche werden wir in Virginia bleiben.




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Wir fahren auf kleinen Straßen, zumindest überwiegend, durch unzählige liebliche Täler, Idylle pur, die aber unweigerlich in steilen Rampen enden. Die Dorfzentren sind winzig, die meisten Bewohner leben verstreut in einzelnen Häusern in der Umgebung. Nicht wie bei uns mit einer Kirche im Dorfzentrum mit weithin sichtbarem Turm, sondern mit mehreren kleineren, dafür blitzsauberen Kirchlein der Adventisten, Lutheraner, Baptisten oder der anderen gefühlten hundert Religionsgemeinschaften. Religion scheint für das soziale Leben auf dem Lande eine große Rolle zu spielen. Uns umgeben endlose Wälder, unterbrochen von Wiesengelände. Heu und Weidewirtschaft ist alles, was an Landwirtschaft erkennbar ist.

Einkaufsmöglichkeiten sind rar, oft sind wir auf kleine stores oder Tankstellen angewiesen, gleichzeitig lokale Treffpunkte, man kennt sich, grüßt sich in für uns schwer verständlichem Slang. Immerhin, hier gibt es kalte Cola und heißén Kaffee, letzteren meist umsonst. So auch am Flecken „White Hall“ dort gibt es Wyant‘s Store „General Merchandise“. In dem Laden hängt ein Schild für 30 Jahre treue Dienste als Shell Tankstelle. Datum 1959. Angeblich gibt es den Laden seit 1865. Hier gibt es alles was das Herz begehrt. Sogar trinkbaren Kaffee – aber auch Motoröl. Tante Emma kann da einpacken

Auch die Städte sind sehr überschaubar, Wytheville hat fast 7000 Einwohner und den Charme eines Gewerbegebietes mit so ziemlich allen Fast-Food-Ketten, die es gibt, und davor riesige Parkplätze. Damascus hat nur 1.000 Einwohner, spätestens um 19.oo Uhr sind alle Lokale dicht, gerade noch ist es uns gelungen, einen miserablen Hamburger zu erstehen und nebenan einige Dosen Bier. Das Bier in einer Plastiktüte verstaut, denn Alkohol darf weder offen transportiert noch öffentlich getrunken werden. Also setzten wir uns gemütlich auf eine Bank vor das kirchliche Hostel, in dem Heiner logierte. Bis der Geschäftsführer kam: Alcohol in the church is not allowed. Also versteckten wir unser Budweiser in Taschen und verzogen uns auf eine etwas verborgene Bank hinter dem B&B von Maria und Ralf. Immerhin, ein schönes Plätzchen am Fluss mit Abendstimmung.


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