Montag, 15. Februar 2016

4 La Habana: Perlen in morbiden Ruinen


La Habana zum Zweiten, das war unsere drei-tägige Zwischenstation nach dem Westloop mit 800km und der sich dann anschließenden Tour im Osten der Insel. Wieder bezogen wir unser Quartier im Casa Particular von Elizabeth am Rande von Habana Vieja, sie begrüßte uns überaus herzlich als ihre besonderen Gäste mit leckeren Säften und herzhaftem Frühstück.

Ein Wort zu den Casas Particulares, die wir auf unserer Kuba-Reise bis auf Ausnahmen als Quartier bevorzugten: Privatleute vermieten in ihrer Wohnung ein oder zwei, selten auch mehr Zimmer wie Elizabeth. Sie benötigen dazu eine staatliche Berechtigung, um an Ausländer zu vermieten, haben einen guten Standard, der streng kontrolliert wird, mit Dusche und kaltem und heißem Wasser und fast immer die gleichen Preise (25$ pro Zimmer, 5$ pP Frühstück und 8 - 10$ pP das Abendessen). Die Vermieter zahlen hohe Abgaben an den Staat, für den das kostbare Devisen bringt. Die Casas sind i.d.R. günstiger als Hotels, und uns gefiel vor allem der direkte Kontakt zu den Menschen in Kuba, der hier möglich ist, die vielen offenen Gespräche und nicht zuletzt das stets gute und reichhaltige Essen. Allerdings ist Spanisch fast unabdingbar, Englisch sprechen nur wenige.



Während dieses Aufenthalts nahmen wir uns mehr Zeit, um Habana zu erkunden, und unsere Faszination wuchs, je mehr wir diese Stadt kennen lernten. Schon die Ausmaße sind überwältigend, Habana Vieja ist die größte koloniale Altstadt Lateinamerikas, die prunkvollen Bauten der früheren Eliten, teils noch aus der Kolonialzeit, meist aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, nehmen kein Ende.

Aber es sind vor allem die Gegensätze von Glanz und Verfall, von prächtigen Palästen und Ruinen, von denen oft nur noch eine abbröckelnde Fassade steht und eine Ahnung vom früheren Glanz vermittelt, die bei uns einen tiefen Eindruck hinterließen. Nie haben wir Vergleichbares gesehen, Motive für außergewöhnliche Fotos gibt es schier unendlich. Da sind die großen Plätze mit ihren Palästen, Kathedralen und Villen, der Plaza de Armas als der älteste, der Plaza San Franzisko mit der Kathedrale gleichen Namens, der Plaza Vieja, der uns am besten gefiel, der Parque Central mit dem Gran Teatro, dem Hotel Inglaterra, dem Capitolio, einem Nachbau des Weißen Hauses in Washington.


 Immer wieder schlenderten wir über diese Plätze, fasziniert von ihrer Pracht. Das gilt ebenso für die repräsentativen Straßén und Gassen der Altstadt mit ihren Arkaden, mit den Fassaden im Jugendstil oder mit barocken Ornamenten, teilweise auch mit maurischen Stilelementen, die Balkone mit schmiedeeisernen Gittern, hohe Toreingänge mit kunstvollen Holztüren, alles wunderschön renoviert.



Aber je weiter man sich von den touristischen Zentren entfernt, desto mehr prägen abbruchreife Gebäude und Ruinen das Straßénbild. Eingestürzte Häuser, bei denen man sich kaum vorstellen kann, dass sie im Erdgeschoss oder 1. Stock oft noch bewohnt werden, enge, dunkle, völlig herunter gekommene Hauseingänge, Ruinen, auf deren brüchigen Mauern und Fenstersimsen Pflanzen und sogar Bäume wachsen, die Straßen und Gassen sind voller Schlaglöcher und man muss stets aufpassen auf tiefe Löcher auf dem Gehsteig, weil etwa der Gullydeckel fehlt.









Aber überall herrscht ein lebendiges Treiben, wohnen Menschen auf engem Raum, bieten Straßenverkäufer lautstark ihre Waren an, spielen Kinder, stehen und sitzen Leute auf der Straße, in den Fenstern und Hauseingängen, rufen sich etwas zu und schwatzen angeregt miteinander. Es ist eine entspannte, friedliche Atmosphäre, als Tourist wird man freundlich wahrgenommen und zuweilen begrüßt, nie haben wir aggressive oder gar bedrohliche Situationen erlebt. Museumsreife Fahrräder und uralte, klapprige Autos prägen das Bild vor allem der breiteren Straßen, dazwischen immer wieder in grellen Farben aufgemotzte Chevrolets und Fords aus den 40er und 50er Jahren, die meist als Taxen verwendet werden und wirklich eine Augenweide sind.



Die Auslagen der Geschäfte sind sehr dürftig und wenig ansprechend, und auch die Angebote drinnen sind sehr bescheiden. Dennoch fiel uns in Kuba überall auf, dass aus den oft herunter gekommenen Häusern insbesondere junge Frauen und Mädchen, teilweise auch Jungs, top aufgedonnert und absolut schick nach der neuesten Mode gekleidet heraus kamen. Kleine Kinder sind besonders liebevoll heraus geputzt. Aber die wenigsten Klamotten werden in den Geschäften gekauft, meist werden sie über private Netzwerke, die in Kuba lebenswichtig sind, per Schwarzhandel aus den USA oder anderen mittelamerikanischen Ländern erstanden.


Natürlich fuhren wir auch per Fahrrad den berühmten Malecon entlang, die kilometerlange breite Uferstraße mit Blick auf das Meer. Allerdings war es an diesem Tag sehr stürmisch, die Wellen klatschten hoch über die gesamte Breite der Straße, so dass wir pitschnass waren, als wir an unserem Ziel, dem Migrationsbüro im Stadtteil Vedado, ankamen. Dort mussten wir unser Visum, das nur für vier Wochen gültig war, um weitere vier Wochen verlängern, was mit einer mehrstündigen Wartezeit verbunden war. Der Stadtteil Vedado allerdings präsentierte sich anders als die Altstadt von Habana. Hier befinden sich die meisten Botschaften, moderne Geschäfts- und Bürogebäude, Hotels, dazwischen immer wieder ansehnliche Wohngebäude und wohlhabendere Häuser prägen hier das Stadtbild.


Vom Malecon selbst waren wir enttäuscht, von den Reiseführern als belebte Promenade und beliebter Treffpunkt angekündigt trafen wir ihn auch bei besserem Wetter immer ziemlich verwaist vor. Auch die avisierten Cafes suchten wir vergeblich, dafür verbreiteten noch viele Ruinen ihren morbiden Charme, wenn auch großflächige Baustellen für die Restaurierung von Palästen und für neue Hotels von besseren Zeiten kündeten.

Abends zog es uns nach Havana Vieja, um in einem Paladar, einem privat betriebenen kleinen Restaurant, etwas zu essen und dort oder in einer Musikkneipe bei kubanischer Musik den Tag mit einem Mojito abzuschließen.





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