Unsere letzte Woche in Kambodscha war nochmals ein waschechtes Abenteuer. Wir radelten, wuchteten, quetschten uns, balancierten, duckten uns, auf schmalen, steilen, überwucherten ausgewaschenen Schmugglerpfaden quer durch den südlichen Teil des Kardamon-Gebirges, im Südwesten des Landes, einer der großflächigen und noch einigermaßen intakten Urwälder in Südostasien.
Dies hatte sich so ergeben, weil wir auf unserer Tour entlang der Küste des Golfs von Thailand, irgendwann mal einen Abstecher in ein Dschungeldorf beschlossen hatten.
Am 31. Januar 2015 verließen wir früh um 7.oo Uhr Sihanoukville. Wir fuhren auf Nebenstraßen, vorbei an stinkenden Hühnerfarmen, an Textilfabriken und slumartigen Wohngebieten. Dann folgten wir der Küstenstraße für ca. 100 km bis Sre Ambel. Das Städtchen war schmutzig und ungemütlich, aber wieder waren die Menschen überaus freundlich und genossen offensichtlich behaglich und entspannt in ihren Häusern und Läden sitzend mit ihren Familien den Abend. Ein Zimmer in einem einfachen Hotel kostete nur 6$.
Am folgenden Tag ging es schon um 6.oo Uhr los bis Andoung Tuek und dort entschlossen sich die fünf Freunde Heiner, Thomas, Ralf, Christiane und Stefan, auf eine staubige Sandpiste nach Norden ins südliche Kardamon-Gebirge abzubiegen, zu dem Dorf Chi Phat. Auf dem Weg gab es viele Cashew-Bäume
und Zuckerrohrplantagen. Der Zuckerrohr wurde teilweise maschinell mit Mähdreschern geerntet,
aber auch per Hand, nachdem in einer Art "Brandrodung''" die Blätter weg gesengt waren, so dass nur noch die angekohlten Stiele stehen blieben.
Chi Phat war ursprünglich eine Holzfäller-Siedlung, aber die Abholzung des Urwaldes war inzwischen gestoppt und mit kommunal selbstverwaltetem Öko-Tourismus eine wirtschaftliche Alternative für die Bewohner entwickelt worden. In dem hübschen Dorf gibt es einige homestays und hostels und über ein visitor-center werden unterschiedliche Exkursionen angeboten. Wir bezogen schöne, strohgedeckte kleine Bungalows für jeweils gerade mal 10$.
Verdammt früh, bereits um 5.30 Uhr, nahmen wir an einer Exkursion teil und genossen eine herrliche Bootsfahrt über mehrere Stunden zunächst mit dem Motor-, dann mit dem Ruderboot (mit einem stehenden Gondoliero) entlang einsamer Flüsse durch den Urwald.
Am Abend ließen wir uns eine Schüssel leckeres Amok ( ein typischer Khmer Eintopf mit Kokosmilch und Curry) munden und fuhren im Dunklen zu unseren Hütten am Ende des Dorfes. Zwei junge Frauen, festlich gekleidet von einer Hochzeitsfeier kommend, leicht angeturnt verloren mit ihrem Moped die Orientierung und kollidierten mit Thomas, der kurz vor einer Brücke die Böschung hinabkugelte und sich vor einem stinkenden Wasserloch mit lädiertem Knie aufrappelte.
Statt den gleichen Weg zur Hauptstraße zurückzufahren, packte uns die Abenteuerlust. Auf der Karte hatten wir einen Weg entdeckt, der quer durch den Dschungel fast bis nach Kho Kong führte. Wir fragten im Ort nach. Die ersten Kilometer seien kein Problem, dann aber sei der Pfad kaum begangen und führe mitten durch die Wildnis. Es gebe kein Wasser und keinerlei Besiedlung, dafür sei das Kardamongebirge einer der letzten Lebensräume für Elefanten und Tiger. Aber wir erhielten wertvolle Verhaltenshinweise für eine mögliche Begegnung mit Elephanten, die je nach Situation auch aggressiv sein können: Vor allem Ruhe bewahren, alles stehen und liegen lassen und sich langsam hinter einen möglichst dicken Baum zurück ziehen. So beruhigt und gut beraten machten wir uns um 6.oo Uhr früh auf den Weg.
Schon die ersten Kilometer waren lediglich ein schmaler Mountainbike- Pfad durch den Wald, auf dem wir aber noch eine Exkursionsgruppe trafen, die blöd guckten, hier Radler mit Gepäck zu treffen. Doch dann wurde der Pfad immer enger, oft kaum noch erkennbar, von beiden Seiten mit Bambus-Gestrüpp zugewachsen, das oft quer über dem Weg hing
und unter dem man durch krabbeln musste. Mehrfach ging es über kleine Bäche, manchmal über einen Baumstamm balancierend, manchmal quer durch das Wasser oder sumpfiges Gelände.
Dreimal waren lange, steile Anstiege zu bewältigen, über Baumwurzel und Felsbrocken schoben und trugen wir mühsam unsere Räder mit vollem Gepäck, oft zu zweit, weil es alleine nicht zu bewältigen war.
Wir waren froh, wenn hohe Bäume Schatten spendeten und wir nicht direkt der Gluthitze ausgesetzt waren. Etwa 40 endlos lange Kilometer bewältigten wir auf diese Weise, mehr als 10 Kilometer davon die Räder schiebend oder tragend.
11 Stunden später erreichten wir endlich befahrbare Waldwege. Aber es waren dann nochmals mehr als 20 Kilometer mit zahlreichen steilen Rampen zu bewältigen. Die letzte Stunde mussten wir durch den stockdunklen Wald fahren, bis wir endlich eine Herberge in dem Ort Russei Chrum erreichten. 5 Liter Wasser hatte jeder von uns an diesem Tag verbraucht. Jetzt reichte es gerade noch für zwei Büchsen Bier, bis jeder von uns todmüde ins Bett fiel. Selbst für ein Abendessen konnten wir uns nicht mehr aufraffen.
Elefanten waren wir nicht begegnet. Aber ihre Spuren waren unübersehbar: ihre typischen Kotbrocken, ihre riesigen Fußabdrücke im Matsch und ihre frisch ausgetretenen Schneisen.
Dafür hörten wir mehrfach die durchdringenden Schreie der Gibbons sowie die Rufe der Nashornvögel, die über uns geräuschvoll hinweg flogen und auf den Wipfeln der Baumriesen landeten. Nach diesem Tag waren wir am Ende unserer Kräfte, aber zugleich stolz und glücklich.
Über einen Sandweg ging es am nächsten Tag weiter, wobei bald eine Baustelle der anderen folgte. Die Straße wurde befestigt und asphaltiert. Eine weitere Trasse war bereits von einem chinesischen Investor quer durch den Urwald des Kardamon-Gebirges geschlagen worden, zudem entstehen große Staudämme und Elektrotrassen. Die Zerstörung dieses einzigartigen Lebensraumes ist bereits in vollem Gange.
Über Ta Tai erreichten wir nach hügeligen 65 Kilometern die Stadt Koh Kong, Grenzstadt bereits zu Thailand. Dort erholten wir uns noch für einen Tag, wobei Heiner vom Urwald so begeistert war, dass er nochmals an einer geführten Exkursion ins Kardamon-Gebirge teilnahm. Schließlich verließen wir das Land der Khmer in Richtung Thailand, der letzten Station unserer Reise.
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