Mittwoch, 28. Juni 2023

WB 00f Kroatien - zwischen Rummel und Naturschönheiten

 28.06.2023  Ploce - Makarska. 60km, 690HM rauf

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Unser Film "Westbalkanroute 3" auf Winnetous Spuren

Der Tag war bewölkt, am Nachmittag kam leichter Regen. Wir erreichten bald die Küste und fuhren fast durchweg auf der Küstenstraße, auf der auch der Eurovelo 8 entlangführt. Es gab mäßig starken Verkehr, die Straße führt in Kurven an den Berghängen entlang, immer wieder mit Abzweigungen zu Orten, die unter uns an der Küste lagen. 





Die Küste ist schön, die Orte allerdings ohne besonderen Charakter, leben einzig vom Fremdenverkehr, nichts erinnert an ehemalige Fischerdörfer. Das gilt auch für das etwas größere Makarska, in dem wir blieben. Ein Apartment-Haus liegt neben dem anderen, die Promenade am Strand ist ein großer Rummelplatz, laut, geschäftig, Menschen wälzen sich in  Scharen entlang. Der Gegensatz zu dem beschaulichen Natur-Erlebnis am Abend vorher könnte kaum größer sein. 

29.06.2023. Makarska - Insel Ciovo bei Split, 88km, 820 HM rauf

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30.6. und 1.7. Ruhetage

Es ging weiter die Adria-Küste hoch, bei Sonne, aber später auch viel Wind, die Küstenstraße war ziemlich befahren, vor allem früh im Berufsverkehr und dann im Einzugsbereich von Split. Entspanntes Radeln ist das nicht, immer wieder wird sehr dicht überholt. 




Wir fuhren durch Omis, mit kleinem hübschen Zentrum und Bootshafen. Split umfuhren wir, kamen durch das sehr schöne, mittelalterliche Städtchen Trogir und landeten auf dem Campingplatz Rozac auf der Insel Ciovo, durch eine Brücke mit dem Festland verbunden. Der Campingplatz gefiel uns, er ist schön gelegen auf einer kleinen Halbinsel, mit tollem Strand und Möglichkeiten zum Schwimmen. Hier blieben wir zwei Tage.








Per Bootsausflug fuhren wir nach Split, der zweitgrößten Stadt des Landes Kroatien. Wir schlenderten durch die engen Gassen der relativ überschaubaren Altstadt innerhalb der früheren Stadtmauer. Das absolute Highlight ist der Palast des römischen Kaisers Diokletian, 1.700 Jahre alt, in Teilen noch erhalten. Zwei römische Legionäre empfingen uns.  Überragt wird die Stadt von der Kathedrale Sveti Duje, älteste katholische Kirche der Welt. Schön ist der Hafenbereich mit der Promenade. 













Auch das kleine mittelalterliche Städtchen Trogir ist eine wirkliche Perle. Ein Bootsausflug dorthin am zweiten Rasttag fiel buchstäblich ins Wasser, es regnete, also reduzierten wir den Besuch auf eine Kurz-Visite am Abfahrtstag.



Kroatien ist kleines Land mit 3,8 Mio Einwohnern. Es waren einmal über 4 Mio, aber auch diesem Land macht, wie offenbar allen Staaten von Ex-Jugoslawien, die Abwanderung aufgrund fehlender Arbeitsplätze und einem geringen Verdienst zu schaffen. Das bestätigte uns ein Kellner, der als gelernte Krankenpflegekraft im August nach Deutschland wechseln wird. Wir sahen wenig Industrie, ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor ist der Tourismus. Die Preise sind hoch, entsprechen mindestens dem Preisniveau in Deutschland und sind deutlich höher als in Griechenland oder den anderen Ländern Ex-Jugoslawiens, durch die wir gefahren sind. Anfang des Jahres 2023 wurde der Euro eingeführt, das war wohl mit einem erheblichen Preisanstieg verbunden. 

An vielen Stellen an der Küste Kroatiens hat man in den letzten drei Jahrzehnten die Fehler wiederholt, die in Italien und Spanien gemacht wurden. Man hat die Küste mit mehrstöckigen Apartmenthäusern und Hotels zugepflastert. In der Umgebung von Split geht eine Ortschaft in die andere über, ohne Unterbrechung.  Dabei stehen die meisten Apartments zumindest zur jetzigen Jahreszeit noch überwiegend leer


02.07.2023 Insel Ciovo -Nationallpark Krka   68 km, 920 HM rauf

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Im Gegensatz zu gestern wurde es ein sonniger Tag. Zunächst kam ein empfindlicher Anstieg, dann fuhren wir einsame, aber schöne Strecke den Radweg N1 entlang. Wir kamen durch mehrere Dörfer, deren Existenz wir nur aufgrund der voluminösen Ortseingangs- und -Ausgangsschilder bemerkten. Die Straße hatte kaum Verkehr, es ging auf und ab, wir fuhren an Siebenik vorbei und kamen zu unserem Campingplatz am Eingang des Nationalparks, der einem Hotel angegliedert war. 

Am nächsten Tag besuchten wir, ganz ohne Rad, den Nationalpark Krka. Mit 40 km Durchmesser, dem Fluss, der sich zu Seen verbreitert, einer intakten  und erlebbaren Natur sowie imponierenden Wasserfällen ist der Naturpark sehr sehenswert. 

Unsere Wanderung durch Krka NP

Schiffstour durch Krka NP










Sehr anregend war die Bekanntschaft und ein netter Abend mit zwei Jungs aus dem Nordend Frankfurts und einem Schweizer Paar, ebenfalls begeisterte Outdoor-Aktive. 

04. 07.2023 Krka-Park - Obrovac. 84km, 920 HM hoch

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05.07.2023 Fahrt zum Winnetou-Felsen, 37km,  820hm hoch

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Nach ca 10km, hinter der Brücke über den Fluss Flusses Krka, machten wir eine Espresso-Pause in dem hübschen Örtchen Skradin, offenbar ein Treffpunkt vieler Segelyachten. Dann ging es hoch bis zu einer Hochebene, die wir etwa 60km entlang radelten. Es war Karstgebiet, auf der ganzen Strecke zwei bis drei Autos, menschenleer. Wir kamen entlang verlassener Häuser, ehemaliger Bauernhöfe und Siedlungen, ältere Natursteinhäuser, aber auch neuer erbaute, die dann doch verlassen wurden, völlig zerfallen, manche von Büschen überwachsen, leere Fensterhöhlen, Geisterorte. Ein zerfallenes Wohnhaus diente als Kuhstall. Der Ort Medvida, seit der Antike ein bedeutendes städtisches Zentrum, Station auf einem Handelsweg, heute verlassen, nur noch hässliche Ruinen sind übrig. Die Gründe für diesen Zerfall waren für uns nicht ersichtlich.










 Wahrscheinlich lohnte sich die Landwirtschaft nicht mehr, Landflucht, wir wissen es nicht. 

Und dann eine andere Welt. Vor uns in einer Schlucht leuchtete in der Abendsonne der Fluss Zrmanja, an seinem Ufer war der kleine Ort Obrovac sichtbar, gegenüber erhob sich eine fantastische Bergwelt. Auf halber Höhe der Abfahrt in das Flusstal erreichten wir den Campingplatz Micanovi Dvori. Eine sehr schöne Anlage mit Swimmingpool und gutem Restaurant. Wir genossen es.

Und wir blieben noch einen Tag, um zum Winnetou-Felsen hochzuradeln. Das war einer der gezackten Felsspitzen hoch oben auf der Velebit-Bergkette gegenüber. Hier waren Ende der 60er Jahre einige der Winnetou-Filme mit Pierre Brice in der Hauptrolle gedreht worden. Natürlich konnten wir uns das als alte Karl-May-Fans nicht entgehen lassen. Es war ein heftiger Anstieg, aber ohne Gepäck gut machbar. 









06.07. / 07.07.2023  Obrovac -Zadar. 74 km. 760 HM rauf

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08.07.2023. Zadar - Starigrad. 63km. 640 HM rauf

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Am nächsten Tag sollte es früh losgehen. Aber: Thomas hatte einen Platten am Vorderrad. Eigentlich kein Ptoblem. Eigentlich. Aber Thomas hatte  an seinem Giant-Rad eine technische Besonderheit: Steckachsen. Die sind eigentlich mit einem Sechskant-Schlüssel zu öffnen. Eigentlich. Allerdings nicht, wenn sie fest zugezogen sind und das Material Aluminium, also nicht sonderlich hart ist. So kam es, dass sie im Nu blind gedreht waren, der Sechskant also nicht mehr griff. Keine Chance, das Rad auszubauen. Die Tochter unseres Camp-Besitzers war so nett, das Fahrrad am Nachmittag in eine Werkstatt nach Zadar mitzunehmen. Aber auch die haben das Rad nicht abgekriegt. Stattdessen pumpten sie eine Art Gummierung in den Schlauch, die alles abdichtet. Hoffentlich. 

Wir hatten jedenfalls nochmal einen unfreiwilligen, wenn auch nicht ganz so entspannten Tag auf dem Campingplatz und am Pool. Am nächsten Tag fuhr Thomas mit einem hilfsbereiten Schweizer Paar und deren Camper nach Zadar, um das Rad abzuholen. Heiner fuhr die sehr schöne Strecke per Rad und wir trafen uns abends auf einem Campingplatz bei Zadar, dem kleinen Camp Plat Kozino. So hatten wir auch Gelegenheit, uns die sehr schöne Stadt Zadar an der Adria-Küste anzuschauen. 





Über das nette Städtchen Nin fuhren wir schließlich weiter eine Meeresbucht entlang nach Osten in Richtung des uns schon bekannten Velebit -Gebirges. Die Strecke war schön, leider in einigen Abschnitten auch sehr verkehrsreich. Über eine Brücke über den Zufluss zur Bucht erreichten wir die westliche Küstenstraße, die nach Norden führt. An einem schönen Campingplatz machten wir am frühen Nachmittag Schluss für diesen Tag. Bei fast 30 Grad Hitze reichte das. 


09.07.2023 Starigrad - Lukovo Sugarje, Camping 70km, 1.340 HM hoch

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10.07.2023 Ruhetag Camping Velebit

Weiter ging es die Schöne Küstenstraße entlang Richtung Karlobag. Trotz des Sonntags gabs recht viel Verkehr. Links neben uns die Bucht der Adria, dahinter zunächst eine Halbinsel, später, mit einer Brücke verbunden, die Insel Pag.  Die Insel war völlig kahl und leer, in der Sonne leuchtete das nackte Gestein rötlich, lediglich am Ufer war eine Siedlung. Rechts erhob sich das Velebit-Gebirge. Wir fuhren an mehreren kleinen Badebuchten vorbei und an ehemaligen Fischerdörfern, die  heute vom Tourismus leben. 

Eigentlich wollten wir nur bis Karlobag fahren. Dort gab es aber keinen Camping-Platz Nach einer Pause entschieden wir uns dafür, trotz großer Hitze noch 1.000 Höhenmeter zum nächsten Camping-Platz im Velebit-Gebirge hochzufahren Verdammt anstrengend, aber mit Pausen schafften wir es.

Das Velebit Camp war herrlich, und wir blieben einen Tag.








 Inspiriert durch „Herr der Ringe“ hatte der Besitzer einige Hüttchen den Behausungen der Hobbits nachempfunden sehr fantasievoll in bewachsene Hügel eingebaut, es gab einen schönen Aufenthaltsbereich und nicht weit entfernt ein sehr gutes und günstiges Restaurant, von Einheimischen stark frequentiert. Heiner nutzte den Tag für eine ausgedehnte Wanderung mit Kletterpassagen auf die Spitze des Berges.

11.07.2023  Velebit Camp - Korenica / Plitvicer Seen  69km ,  740HM rauf

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12.07.2023 Besuch Plitvicer Seen

Nach einem guten Espresso, gekocht von einem netten Motorradfahrer aus Linz, ging es los Richtung Plitvicer Seen. Die Strecke führte sehr schön durch eine grüne Berglandschaft überwiegend abwärts über Gospic, danach kamen ca 50km fast völlige Einsamkeit, ab und an verlassene und verfallende Häuser oder kleine Weiler. Es war Natur pur, völlige Ruhe, bei strahlender Sonne irgendwie sehr schön. Vor einem Haus, das ausnahmsweise bewohnt schien, stand eine Bank, die für für unsere Mittagspause nutzten. Irgendwann schaute eine Frau aus dem Fenster und bot uns in perfektem Englisch einen Kaffee an. Sie setzte sich dann zu uns, zusammen mit ihrem Mann und ihrem 91-jährigen Vater. Es wurde eine richtig nette Kaffeerunde. Die Frau war hier aufgewachsen, dann aber nach Kanada ausgewandert und lebt dort seit 30 Jahren. Seit der Pensionierung ihres Mannes verbringen beide die Sommermonate bei ihrem Vater im Elternhaus hier. Sie erzählte, dass vor dem Jugoslawienkrieg zahlreiche Höfe in der Umgebung bewohnt waren und sie mit vielen anderen Kindern zusammen aufwuchs. Durch den Krieg, den Rückgang der Landwirtschaft, fehlende Arbeitsplätze verließen junge Leute ebenso wie sie das Land, Ältere blieben und starben irgendwann.

 Erfolgversprechende Ansätze zur Industrialisierung im ehemaligen Jugoslawien wurden danach aufgegeben, Betriebe wurden verkauft, geschlossen, einige der ehemaligen Fabriken, heute völlig verrottet, haben wir gesehen. Lediglich in der Nähe größerer Städte gibt es einige Gewerbeansiedlungen. Auf dem Land bleiben nur Reste der Landwirtschaft und an geeigneten Orten die Hoffnung auf Touristen. 

Am Nachmittag erreichten wir, bei 34 Grad Hitze, den Campingplatz Camp Borje bei Korenica. Abends gabs ein köstliches Nudelgericht, zu dem uns Oliver aus Kassel eingeladen hatte, den wir auf dem vorigen Campingplatz kennengelernt hatten .Oliver ist mit einem selbst als Mini-Camper ausgebauten Pkw unterwegs.




Oliver bot uns an, mit ihm im Pkw zu den immerhin 18km entfernten Plitvicer Seen zu fahren. So besuchten  wir zu dritt recht bequem dieses einmalige Naturparadies in Kroatien. Mehrere Seen und Feuchtgebiete in Stufen hintereinander in einem tiefen Canyon, dazwischen unterschiedlich hohe Wasserfälle, reißende Bäche, langsamer fließende Ströme, Bereiche von Wasserpflanzen. Aus Gestein und Pflanzen schiesst das Wasser hervor oder fließt über eine Art Vorhänge aus Pflanzen. Fantastisch.




 Über Holzstege und Wanderwege werden dieTouristenströme gelenkt. So scheinen die Menge an Touristen bewältigbar und mit dem Ziel des Naturschutzes vereinbar zu sein.





13.07.2023 Korenica - Ogulin. 89km, 870 HM rauf

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Zunächst fuhren wir 18km auf der Strecke an den Plitvicer Seen vorbei, die wir tags zuvor mit dem Auto gefahren waren. Anschließend ging es 10 km durch Wald bergauf, wieder, wie schon oft, durch ein einsames, fast menschenleeres Gebiet. Das setzte sich in einem weiten Tal fort, Wiesen, die nur teilweise genutzt werden, mit vielen Wildblumen, umgeben von dicht bewaldeten Bergen. Wir genossen diese Landschaft sehr, ihre Ruhe, ihre Weltentrücktheit. Unterwegs kauften wir in einem der wenigen Bauernhöfe frischen Käse und Brot, das wir später in dem Ort Blaski auf einer Bank als Mittagsmahl verspeisten. Neben uns saß ein älterer Mann, der in gutem Deutsch erzählte, dass er über 20 Jahre unter Tage im Ruhrgebiet gearbeitet hatte. Die Kinder leben in Deutschland, er ist als Rentner in sein Heimatdorf zurückgekehrt. Er hatte einen ausgeprägten Lebensfrust, kam sich unnütz vor, schimpfte auf alles und jedes. Er wirkte entwurzelt, war in Deutschland nie angekommen und blieb nun auch in seiner Heimat fremd. In diesem Dorf, so erzählte er,  lebten vor dem Jugoslawien-Krieg viele Serben, die vertrieben wurden. Nur ein Teil kehrte nach dem Krieg wieder zurück, dafür seien viele Slowenen zugezogen, deren Gehöfte in ihrem Land zerstört waren. Uns wurde die Zerrissenheit dieser Länder deutlich, die heute noch existiert. Immer wieder erinnern Mahnmale am Wegesrand an diesen Krieg und an darin Gefallene. An einem Ort befand sich ein Grab mit 51 Menschen, die hier laut Inschrift 1991 von der Jugoslawischen Armee in Kooperation mit einheimischen Kräften erschossen wurden. 





Abends blieben wir auf einem kleinen Campingplatz bei dem Ort Ogulin. 







1 Kommentar:

GeorgPaul hat gesagt…

Lieber Heiner, lieber Thomas, ich lese eure schönen Beschreibungen und schwelge in Erinnerungen der letzten 2 Jahre. An vielen Stellen war ich und Bilder tauchen in meinem Kopf auf. Eine tolle Tour.
Ich selbst überquere gerade die Alpen. Nizza, die Pässe Bonnette, Vars, Lautaret, Galibier und anschließend der Col de Télégraphe bevor es Richtung Heimat geht.
Euch weiterhin eine schöne Reise und alles Gute.
Georg