Sonntag, 4. Juni 2023

WB 00b Durchs Skipetarenland

 07.06.2023. Ioannina - Leskovic / Albania  74 km  1.280 HM rauf

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Unser Film "Westbalkantour 2" Durchs Land der Skipetaren 2

Heute haben wir die Grenze zu Albanien überschritten und Griechenland hinter uns gelassen.

Zunächst ging es ab Ioannina flach eine stark befahrene Verkehrsstraße entlang, durch ein schönes, weites Tal. Später kam ein Anstieg von ca 300 auf 800 Höhenmeter. Von oben gab es einen sehr schönen Blick hinunter auf den Fluss Vjosa, den letzten, völlig unregulierten  Fluss Europas, der sich naturbelassen teils in mehreren Flussbetten durch ein Tal schlängelt. 




Inzwischen war der Straßenverkehr fast vollständig versiegt, wir waren in einem Niemandsland, leer, Natur pur.

Nach einer steilen Fahrt abwärts kamen wir zur Grenzstation. Auch hier wenig Betrieb, nur 2 Fahrzeuge und wir. Die Grenzabfertigung  ging zügig, und schon waren wir in Albanien. Die Hoffnung auf ein Kiosk oder ein anderes Essensangebot zerschlug sich, wir hatten inzwischen Hunger, auch unser Wasservorrat ging zur Neige. Aber es gab nichts, also mussten wir auf eine Packung Kekse zurückgreifen, die wir für Notfälle dabei hatten. Dann ging es nochmals kräftig hoch, wieder von ca 300 bis 900 Höhenmeter. Es gab kein Dorf, kein Haus,  nur den Blick auf hohe Berge, bewaldet, oben schneebedeckt. Wenige Autos überholten uns. Zwischendurch ab und an Weinanbau. ein Hirte mit einer Herde Ziegen begegnete uns, später ein Schäfer mit seinen Schafen. Ein Bauer ritt auf seinem Pferd nach Hause, ein anderer hatte auf einem Pferd Heu geladen. Schließlich erreichten wir die Kleinstadt Leskovic, hoch oben exponiert über dem Tal, neben einem spitz aufragenden Berg. Vorher sahen wir, nach Süden Richtung Griechenland hin, die Reste einer ganzen Kette von Bunkern, die der frühere stalinistische Diktator Enver Hodscha wie auch an vielen anderen Orten erbauen ließ, um seine rigide Art des Kommunismus gegen Feinde verteidigen zu können. Dann waren wir angekommen, nach einem Anstieg von 1.280 Höhenmetern an diesem Tag, das spürten wir auch.

Der Ort wirkte eigenartig mit auffallenden Gegensätzen. Das Zentrum ist neu und ansehnlich gestaltet mit hübsch gepflasterten Straßen und frisch gepflanzten Bäumen, einige mehrstöckige Häuser werden gerade renoviert. Mehrere Hotels, Restaurants und Cafés, mit bunten Plastikstühlen auf modern getrimmt, warten auf Touristen, die sich bislang anscheinend kaum einstellen. Stattdessen sitzen, ähnlich wie in Griechenland , vorwiegend ältere Männer in den Cafés. Ähnlich übrigens wie in Griechenland. Es gibt neue, schicke Häuser, gleichzeitig aber auch heruntergekommene Plattenbauten,  mit vielen Wohnungen offenbar leerstehend, zwei verkramte kleine Supermärkte, lieblos irgendwie. Untergekommen sind wir vergleichsweise luxuriös in einem nagelneu und sehr geschmackvoll renovierten Hotel, gleichzeitig Destillery mit noch nie genutzter modernster Destillery-Ausstattung.




Bereits unterwegs hatten wir einen sympathischen italienischen Radler getroffen, mit dem wir gemeinsam zu Abend aßen. Er war weit gereist und spricht mehrere Sprachen, arbeitet, zuletzt als Pizzabäcker, nur einen Teil des Jahres, um den übrigen größeren Teil sehr minimalistisch unterwegs zu sein und die Welt mit kleinem Budget zu bereisen Eine interessante alternative Lebensweise.

08.06.2023  Leskovic - Mollar  60km, 1.010 HM rauf

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Dieser Tag war geprägt von einem stetigen, anstrengenden Auf  und Ab auf schlechten Straßen, teils Schotter, teils schlecht asphaltiert mit zahlreichen Schlaglöchern. Wir fuhren die SH 75 Richtung Korca, anfangs gab es über eine Strecke von mehr als 30km nichts außer zwei bis drei Schäfern mit großen Herden. Eine alpin anmutende sehr schöne Bergwelt umgab uns, mit Kiefern bewachsen, auf den Höhen lag noch Schnee. 






In dem Städtchen Erseka legten wir eine Pause ein mit einem guten, wieder einmal zu üppigen Mittagessen.


 Nach 60km erreichten wir unser Ziel bei einsetzendem Regen. Es war ein Campingplatz mit schönem Blockhaus als Hotel, und so konnten wir angesichts des Wetters der Versuchung eines gemütlichen Zimmers statt eines feuchten Zeltes nicht widerstehen. Zumal bei einem Preis von 35€ das Doppelzimmer, einschließlich einem guten Frühstück , das hatten wir in Griechenland teilweise fast für einen Campingplatz gezahlt. 

Das Hotel erwies sich als Glücksgriff. Es bot eine Art Agro-Tourismus mit hervorragendem Essen aus selbst hergestellten Produkten, einem selbst gebackenen guten Brot, auch der Rotwein stammt aus eigener Produktion  und war ausgezeichnet.







Auffallend unterwegs waren die häufigen Mercedes, die uns oft rücksichtslos überholten. Tatsächlich ist Albanien das europäische Land mit der höchsten Mercedesdichte. Erstaunlich für dieses doch noch arme Land. Etwa 2% der Bevölkerung, so hatten wir nachgelesen, ist sogar extrem reich, es gibt nur eine kleine Mittelschicht, die Mehrheit lebt in Armut, viele, vor allem junge Menschen, wandern ab. Aber Dinge entwickeln sich und wir haben durchaus den Eindruck eines aufstrebenden Landes. Doch dazu mehr in den folgenden Posts.




09.06.2023. Mollar - Pogradec. 85km. 660HM rauf

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Den Anfang machten ein kräftiger Anstieg bei schlechter, holpriger Straße. Doch nach einem Pass nach ca 10km war die Straße ok und ließ sich gut fahren. Wir kamen in ein offenbar fruchtbares Tal, geprägt durch Kirschbaum-Plantagen, soweit das Auge reichte. 


Und die ersten Kirschen waren bereits reif und schmeckten, so frisch vom Baum in „Nachbars Garten“ geerntet. Nach 30km kamen wir nach Korca, eine moderne, schöne Stadt mit Fußgängerzone und schönen Parkanlagen, schicken Cafés, in denen junge Leute saßen, ansprechenden Geschäften, die meisten ehemaligen Plattenbauten waren renoviert.




Danach waren weiter Kirschbäume angesagt, aber auch intensiver Gemüseanbau, Getreide und Wiesen. Auffallend waren entlang der gesamten Strecke kleine Gewerbegebiete und immer wieder neue, sehr schmucke Häuser, meist zwei- oder drei-stöckig, die von einem gewissen Wohlstand zeugen. Wahrscheinlich spielt auch eine Rolle, dass viele Albaner im Ausland arbeiten und einen Teil ihres Lohnes nach Hause schicken.

Von der letzten Anhöhe vor Bogradec aus hatten wir einen herrlichen Blick auf die Stadt und den dahinter liegenden Ohrid-See, durch den bereits die Grenze zu Nord-Mazedonien verläuft. Weiter ging es noch ein ganzes Stück den See entlang bis zu dem Erlin-Campingplatz. Endlich wieder Camping, das schöne Wetter war dafür passend. Auf unserem Speiseplan für den Abend stand selbstverständlich der Koran-Fisch, eine Rarität,  die weltweit ausschließlich hier am Ohrid-See und noch am Baikal-See vorkommt, sonst nirgends. Der Süßwasser-Fisch ist mit der Forelle nicht verwandt, auch wenn er ihr ähnlich sieht. Auch der Geschmack ist anders, aber er ist ausgesprochen köstlich. Es wurde ein netter Abend, zusammen mit einem Camper-Ehepaar aus Schwein. 







10.06.2023. Pogradec - Elbasan. 65km. 

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Zunächst ging es in Serpentinen steil hoch zu einer Anhöhe, von der wir einen schönen Blick zurück hatten auf den Ohrid-See und den Ort Lin davor. Kurz vor der Grenze ist die Landschaft gespickt mit Bunkern aus der Zeit Enver Hodschas, genauer gesagt sind es MG-Stellungen, mit einer Betonkappe überdeckt. Weiter fuhren wir die SH3, eine gut asphaltierte Straße, aber ohne Seitenstreifen und mit sehr hohem Verkehrsaufkommen. 





Unangenehm zu fahren. Tatsächlich gab es unglaublich viele Mercedes Benz, und zwar überwiegend neuere Modelle, nicht wenige richtig dicke. Erstaunlich, aber das scheint hier das herausragende Status-Symbol zu sein. „We have no money, but we have Mercedes, more than in Germany“, kommentierte das ein albanischer Jugendlicher mit sichtlichem Stolz. 

Die Strecke führte tendenziell abwärts von ca 900 bis ca 150 Höhenmetern nach Elbasan. 


11.06.2023. Elbasan - Tirana. 65km. 950 HM

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Elbasa zeigte sich als hübsche Kleinstadt, mit vielen Cafés (Albanien ist auch Weltmeister in der Anzahl der Cafés), Parks, einer netten kleinen Fußgängerzone, eine Vielfalt an modernen Geschäften, eine Kleinstadt, die auch nach Westeuropa passen würde. 



Danach waren wir nochmals gefordert. Von 150 Höhenmetern ging es hoch auf 810, allerdings mit moderaten, gut zu bewältigenden Anstiegen. Und bei kaum Verkehr, der ist auf eine neue, durch einen Tunnel führende Autobahn verlagert. Immer wieder hatten wir schöne Blicke hinunter ins Tal, auf die Stadt Elbasan, einen großen Industrie-Komplex davor. Und nach dem Pass rollten wir in rasanten Kehren wieder hinunter. Allerdings: Zwischendurch mussten wir mehrfach Griechische Land-Schildkröten retten, die sich auf die Straße verirrt hatten. Es war insgesamt wieder eine Super-Tour.













Die letzten 20km radelten wir, bei wieder starkem Verkehr, in die Stadt Tirana, vorbei am Skanderbeg-Platz, dem Zentrum, zu unserer für drei Nächte gebuchten nagelneuen Maisonette-Wohnung für 35€ pro Nacht. Wir kamen gerade noch rechtzeitig vor einem heftigen Gewitter an. 


12. - 13.06.2023. Ruhetage Tirana

Zwei Tage blieben wir in Tirana. Sicherlich nicht vergleichbar mit Barcelona oder Lissabon, aber durchaus interessant. Eine moderne Großstadt mit ca 800.000 Einwohnern (zu Zeiten des Sozialismus vor gerade mal 30 Jahren noch 200.000), das Zentrum baulich geprägt durch die wechselhaften Epochen der albanischen Geschichte, also wenige Reste aus der langen osmanischen Zeit, einige Gebäude mit erkennbar italienischem Einfluss, Bauten aus den 40 Jahren Sozialismus und inzwischen zahlreiche Hochhäuser, alle erst in den letzten 30 Jahren entstanden, die das Stadtbild prägen. Überall gibt es moderne Geschäfte, die gleichen Handels-Ketten, die auch in anderen Großstädten vertreten sind, und ein einladendes Café reiht sich an das andere (keine andere Stadt außer vielleicht Rom hat mehr). Nach positiven Erfahrungen in anderen Städten nahmen wir auch hier an einer Free Walking-Tour teil, die wieder sehr informativ und kurzweilig war. 

Albanien hat nur etwa 2,8 Mio Einwohner, fast die doppelte Zahl an Albanern lebt im Ausland, die meisten sind kurz nach der Wende Anfang der 90er Jahre emigriert. Zudem gibt es eine erhebliche Landflucht, auf den Dörfern bleiben nur die Alten zurück. Und dem Land macht ein erheblicher Brain-Drain zu schaffen, allein in den letzten 5 Jahren haben etwa 500.000 meist junge, gut ausgebildete Menschen das Land verlassen. Ca 40% sind Moslems, je knapp 30% orthodoxe und katholische Christen, wobei allerdings Religion kaum eine Rolle spielt. In der Zeit des stalinistisch geprägten Sozialismus unter dem Diktator Enver Hoxha hatte sich das Land zum einzigen atheistischen Staat weltweit erklärt, offene Religionsausübung war verboten und Kirchen und Moscheen wurden geschlossen. In der Stadt sind inzwischen, was wir auch im übrigen Land sehen konnten, einige Moscheen und Kirchen neu entstanden. Unter Enver Hoxha war Albanien nahezu vollständig abgeriegelt. Die beiden Museen BunkArt 1 und 2 sind in riesigen unterirdischen Bunkern aus dieser Zeit untergebracht und zeigten eindrucksvoll und bedrückend die Unterdrückung und Bespitzelung in dieser Zeit, die uns sehr an die Situation in der DDR erinnerte. 

Soweit einige Infos und Eindrücke von Tirana. Insgesamt verbrachten wir zwei entspannte Tage, gönnten den Beinen Erholung , saßen gemütlich in Cafés und ließen uns treiben. 










14.06.2023. Tirana - Lezhe  67km. 270 HM rauf

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Die ersten 25km kämpften wir uns mühsam durch den  dichten Autoverkehr in Tirana und auf den Ausfallstrassen. Die Straßen von Tirana sind zu allen Tageszeiten rammelvoll und verstopft durch überbordenden Autoverkehr und recht undiszipliniertes Fahrverhalten. Unterwegs gab es wenig Industrie, dafür viele Handelsgeschäfte, vor allem Möbelhäuser und Autohändlern. Es gibt überall unglaublich viele Autowaschanlagen, oft nur eine Person im Freien mit Hochdruckreiniger.

Es ging weiter die SH1 bei viel Verkehr, aber gut fahrbar überwiegend flach bis Lezhe nahe der Küste. Links und rechts der Straße waren unzählige schicke neue Häuser entstanden, in den Orten und Kleinstädten viele neue Wohnkomplexe mit gehobenem Standard, nach unserem Eindruck längst nicht alle bewohnt. Auffallend waren zudem neue, schön gestaltete Ortszentren, viele relativ frisch gepflanzte Lindenalleen, häufig neu erbaute Moscheen. Das Land macht hier einen wohlhabenden Eindruck.

Ein Gespräch am Abend mit der Bedienung im Restaurant: Es gibt zwar Arbeit in Albanien, aber fast nur im Dienstleistungsbereich und sehr gering bezahlt. Er will deshalb nach Beendigung seiner Ausbildung in die USA gehen, ein Onkel ist bereits dort. Dort will er arbeiten und Geld verdienen, aber leben möchte er später nicht dort, sondern hier in Albanien. 





15.06.2023. Lezhe - Zogaj bei Shkoda 68km. 500 HM hoch

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Es regnete in Strömen, als wir aufwachten. Verkehrte Welt, hier am Mittelmeer seit Tagen Bewölkung und immer wieder Regen, während zu Hause alles trocken ist und eine Hitzewelle das Land fest im Griff hat. Gottseidank hörte der Regen  nach dem Frühstück auf,  erst passend zur Mittagspause gab es wieder einen kräftigen Schauer, sonst blieb es den ganzen Tag bewölkt mit ab und zu einigenTropfen. 

Wir fuhren eine sehr schöne Nebenstrecke fast ohne Verkehr, in langen Kurven oberhalb eines breiten Tales. Sehr ländlich, fernab von Mercedes und schicken Häusern, das andere Albanien, Bauern mit bescheidenen Häuschen, kleinen Äckern,  etwas Viehhaltung, einige trieben ihre Ziegen, Schafe oder auch Puten über karges Gelände. 



Kein Café über mehr als 30km. Wir trafen zwei Tandem-Radler aus Australien, auf einer 7-monatigen Radtour durch Europa. Sie wollen später den Rhein hoch radeln. Vielleicht sehen wir sie dort wieder.


Am Mittag wieder ein anderes Bild in Shkodra. Eine moderne Stadt, sehr schön am Shkodra-See gelegen, zahlreiche Hotels und von zahlreichen in- und ausländischen Touristen besucht. Einladend mit Fußgängerzonen, Parks und Promenaden zum Bummeln. 

Dennoch fuhren wir weiter, westlich am Ufer des Shkodra-Sees entlang, ein kleine Straße mit schönen, oft schilfbestandenen Buchten, vielen Wasservögeln, landschaftlich sehr reizvoll. Immer wieder auch Restaurants und Hotels, recht gut besucht. Nach ca. 13km war die Welt zu Ende. Wir waren kurz vor der Grenze zu Montenegro, aber es gibt hier keinen Grenzübergang. Das letzte Haus war unser Hotel, das wir wegen des schlechten Wetters für zwei Tage gebucht hatten. Es wurde ein Verwöhn-Programm, mit sehr netten Wirtsleuten, hervorragendem Essen und einem Wahnsinnsblick über den See.

Morgen gehts weiter nach Montenegro 







1 Kommentar:

GeorgPaul hat gesagt…

Hallo Heiner, hallo Thomas. Ich habe gerade euren Blog gelesen. Viele Sachen und Orte erinnern mich an die vergangenen 2 Touren. Schöne erinnerungen.besonders gute erinnere ich mich an Leskovik. Ich habe dort schon übernachtet und bin dann eine sehr steile Straße, eigentlich ein schwer befahrbaren Weg hinunter ins Vjosatal. Was war das schön.in diesem Jahr bin ich am südlichsten Grenzübergang von Griechenland eingereist und fahre nun an der Küste entlang nach Durrës. Von dort geht es mit der Fähre nach Italien gen Norden. Mehr Plan habe ich noch nicht. Ein Treffen wäre in Patras möglich gewesen ... Euch eine gute reise.auf meinem Blog könnt ihr ja sehen, wo ich bin. Vielleicht können wir doch noch ein gemeinsames Bier trinken ? Alles Gute. Georg