8. Etappe: Whisky on the rocks mit Gletschereis

Vier Tage blieben wir in El Chaltén. Ein netter, kleiner Ort, ein Ort zum Wohlfühlen, mit vielen Geschäften, Cafes, Restaurants, in den letzten Jahren aus einem kleinen Basislager für Fitz Roy-Besteigungen zu einem Touristenort angewachsen. Gelegen in einer Landschaft, die sich von der leeren, kahlen Pampa deutlich unterscheidet: durch ein milderes Kleinklima sehr grün, bewaldet, bewachsen überwiegend mit den stattlichen, knorrigen Lengas (eine Art der sog. Südbuche, obwohl sie mit unserer Buche keine Ähnlichkeit hat). Unser Zelt schlugen wir auf dem Zeltplatz "El Relinche" auf, romantisch am Ortsrand gelegen, unterteilt durch Hecken.





Für diese Hecken waren wir dankbar, denn in der ersten Nacht fürchteten wir, dass unsere Zelte wegfliegen. Auch am nächsten Tag stürmte es noch, mittags fing es an zu regnen. Doch dann folgten Sonnentage pur. Wenn Engel reisen! Zwei lange Tageswanderungen führten uns zur "Laguna de Los Tores" direkt vor dem Fitz Roy, und zur "Laguna de los Torres" mit Blick auf die Torres und den Fitz Roy im Hintergrund. Erneut sahen wir den Kondor, ein Pärchen, das offenbar auf der gegenüberliegenden Seite des Tales ein Nest hatte. Ein majestätischer Vogel, mit einer Flügelspannweite von fast 3m.




 Der Fitz Roy ist überwältigend, 3.375m hoch, ein nackter Felsklotz, kegelartig steil aufragend. Er gilt bergsteigerisch als schwierig zu besteigen, vor allem wegen des Windes und der unbeständigen Wetterverhältnisse. Zwei junge englische Bergsteiger, die wir auf dem Zeltplatz kennenl llernten  hatten 6 Wochen gewartet, bis die Wetterverhältnisse so waren, dass sie eine Besteigung wagen konnten. Das war jetzt der Fall, und wir hoffen, sie haben es geschafft. Wir hatten ebenfalls Glück, dass wir ihn so klar sehen konnten, oft hüllt er sich in Wolken.

Unser Campingplatz war belegt überwiegend von Jugendlichen, jungen Pärchen, Grüppchen, Familien. Es waren Backpacker, einige Radler, auch Camper-Reisende. Eine offene, angenehme Atmosphäre, man traf sich abends in der gemeinsamen Küche mit anschließendem Gemeinschaftsraum, tauschte Reiseerfahrungen aus, gab sich gegenseitig Tipps, wartete geduldig vor dem Gasherd auf eine freie Feuerstelle, half sich mit Utensilien aus und kochte sein einfaches Camper-Mahl, meist ein Nudelgericht, Eintopf oder Süppchen. Mit unseren Steaks (2-mal !) stachen wir da schon raus. Etwa die Hälfte kam aus Europa oder den USA, die andere Hälfte aus Argentinien und Chile, die Umgangssprache ist überwiegend Englisch oder Spanisch. Es waren sehr erholsame Tage.

Am Donnerstag, 13.2. ging es weiter Richtung Norden. Das unterschied uns übrigens von den meisten Radlern, die umgekehrt nach Süden fahren. Wir hatten 38 km zu bewältigen, Hubbelpiste, "de ripio", wie das hier heißt, relativ eben mit kleinen Steigungen. Entschädigt wurden wir durch das sehr schöne Tal, durch das wir fuhren, ein Flüsschen entlang, eine Wiesenlandschaft mit Lenga-Wäldern.




Gegen 16.oo Uhr kamen wir am Lago Desierto an. Von dort brachte uns ein Schiff in einer Stunde Fahrt zur Nordseite des Sees. Es war eine sehr schöne Fahrt, die Ufer bewaldet, menschenleer, und noch schöner war der Ort, an dem wir landeten und an dessen Ufer auf einer Wiese wir für die Nacht unsere Zelte aufschlugen. Wir hatten einen herrlichen Blick über den See auf den Fitz Roy, abends bei Sonnenuntergang in Rot getaucht, morgens bei Sonnenaufgang ebenfalls wunderschön angestrahlt. Da schmeckte uns abends sogar unsere Nudelpampe. Mit Tanja und Stefan tranken wir eine Flasche Rotwein. Beide sind seit 1 1/2 Jahren auf Weltreise unterwegs, durch Osteuropa, die Mongolei, China, Indien, Indonesien, eine Radtour quer durch Australien und jetzt durch Südamerika. Es war ein schoener Abend.

Wir wussten vorher, dass der nächste Tag trotz der relativ kurzen Strecke von knapp 30 km zum Lago O` Higgins wieder heftig wird. Dass er so unglaublich anstrengend wird, das ahnten wir nicht. Jetzt rächte sich unsere Süd-Nord-Richtung, denn wir hatten die ersten 8 km überwiegend als steilen Anstieg. Es war ein schmaler Pfad durch ein schönes Waldgebiet, oft tief eingeschnitten, über Steine, Felsen, Baumwurzeln, durch Bäche, überwiegend steil hoch. Als Wanderweg sicher sehr schön, als Fahrradweg eine Katastrophe. Wir mussten durchgängig schieben, mit Gepäck sau-anstrengend, oft mussten wir das Gepäck abnehmen, weil sonst kein Durchkommen war, viele Strecken schoben wir ein Rad zu zweit, weil es zu steil hoch ging, mühsam schoben wir über schmale Baumstämme über reißende Bäche. Was für eine Plackerei, und dazu von Pferdebremsen umschwirrt. Gegen Ende der Strecke hatten wir kaum noch Kraft, mussten ab und zu eine kleine Pause einlegen.




Aber wieder schafften wir die Strecke, gegen 16.oo Uhr weitete sich der Weg zu einem Feldweg. Aber wir atmeten zu früh auf. Der Weg war weiterhin schwierig, mit Gesteinsbrocken übersät, oft mit steilen Aufstiegen. Dann kamen die letzten 8 km Abfahrt runter zum Lago O` Higgins. Die Belohnung, so dachten wir, eine schöne Abfahrt. Von wegen. Der Weg dick übersät mit Steinen, Schotter. Die Räder fanden keinen Halt, es war mehr ein Rutschen als ein Fahren, schwierig vor allem an steilen Stellen. Heiner stürzte 2-mal. Endlich, gegen 19.oo Uhr, kamen wir am See an. Völlig fertig. Wir überschritten noch die argentinisch-chilenische Grenzstation in Richtung Chile, anschließend reichte es gerade noch zum Aufbau der Zelte in einer Waldniesche und zum Kochen eines Nudelgerichts.

Erholsam und toll war der nächste Tag, Samstag, 15.2., mit einer ganztägigen Schiffstour durch den Lago O `Higgins durch eine sehr schöne, völlig menschenleere Landschaft an zahlreichen Wasserfällen und Gletschern vorbei zum O` Higgins- Gletscher. Wir leisteten uns diese Fahrt, und sie lohnt sich. Wir sahen den O `Higgins-Gletscher herrlich und imposant in der Prall-Sonne, das Schiff wartete, bis der Gletscher tatsächlich kalbte. Unter krachendem Donnern fiel ein gewaltiger Eisbrocken in das eisige Wasser. Ein Bootsangestellter holte mit einem kleinen Beiboot Eisbrocken aufs Schiff. Und dann, zur Feier des Tages, wurde Whisky on the rocks gereicht, natürlich mit Gletschereis. Lecker.






Abends gegen 21.oo Uhr landeten wir 7 km vor der Siedlung Villa O`Higgins. Ein großes Schild kündigte den Einstieg zur eigentlichen Carretera Austral an, die wir erreicht haben und die nächsten ca 1.350km fahren werden.

3 Kommentare:

alan & jane: Navimag hat gesagt…

Jungs! was fuer eine tolles geschichte! whiskey mit gletschereis - fantastisch!
alles gute!

alan & jane

Hildegard hat gesagt…

Hallo ihr beiden,
toll, dass ihr "DEN WANDERWEG" geschafft habt und dazu bei gutem Wetter. Auch hier an den 7 Seen sind die Pferdebremsen aktiv - leider. Ich wünsche eine gute und sturzfreie Weiterfahrt.

Anonym hat gesagt…

Hallo Heiner und Thomas,
schön zu lesen, was ihr alles auf der anderen Seite des Kontinents erlebt, weit weg vom Alltagsstress und den Problemen zu Hause.
Wir staunen über eure Erfahrungen und Erlebnisse und finden es als nette Abwechslung -- Nachrichten aus einer anderen Welt.
Bleibt tapfer und haltet durch. Am Gletscher hätte ich gern auch mal einen Whiskey getrunken...
Liebe Grüße
Jutta u. Manfred