und weiter bis El Chalten hinter dem Lago Viedma (noch mal 220km), das folgte ab Sonntag, 2.2.14. Es war eine Straße der Einsamkeit durch die Pampa Argentiniens, außer den beiden kleinen Orten gab es nichts, lediglich wenige estancias (Gehöfte). In the middle of nowhere, so fühlten wir uns. Und doch, die Landschaft hatte eine eigene Faszination, ihre unglaubliche Weite, über die fast immer ein kalter Wind weht, Hügel, Tafelberge, schneebedeckte Bergkuppen. Verschiedene Brauntöne und Ockerfarben sind vorherrschend, Seen und Fluesse sind von dem sie speisenden Gletscherwasser smaragdgrün und glitzern in der Sonne. Wir erlebten strahlende Sonnenaufgänge, abends wurde die Landschaft in ein intensives, warmes Licht getaucht, die Berge leuchten rot vom "Alpen"-Glühen. Raue Gräser und niedrige stachelige Stauden sind die einzige Vegetation. An Wildtieren ist das grazile Guanaku, ein Verwandter des Lamas, häufig zu sehen, das Nandu, eine kleine Straußenart, den Andenadler Carancho, das Gürteltier, vereinzelt ein Zorro (Fuchs), einmal ein Stinktier, mehrmals Flamingos an kleinen Seen.
Um Puerto Natales in Chile hatten englische Gesellschaften erst Anfang des 20. Jahrhunderts das Land billig erworben und mit Schaf- und Rinderzucht in großem Stil begonnen. Mit der Landreform um 1972 wurde das Land an Landarbeiterfamilien wie Familie Cardenas vergeben, die es heute noch bewirtschaften. In Argentinien haben die estancias riesige Ausmaße, so weit das Auge reicht, bis zu 100km und sogar mehr. Sie werden sehr extensiv bewirtschaftet, zu sehen sind sehr spärlich Schafe, manchmal Rinder und Pferde. Die Eigentümer leben in den Städten. Von einer estancia erfuhren wir, dass der Besitzer in Buenos Aires lebt und einmal im Jahr für zwei Tage nach dem Rechten sieht. Bewirtschaftet wird sie vom Peon (Verwalter) mit zwei bis drei Arbeitern und Saisonkräften z.B. für die Schafschur. Die Besitzungen sind alle eingezäunt, hunderte, tausende Kilometer Zäune, Zäune, Zäune entlang der Straßen und quer durchs Gelände.
Für Guanakus können diese Stacheldrahtzäune zur Todesfalle werden, immer wieder sahen wir Kadaver in den Zäunen hängen. Ein Tier lebte noch, es hatte sich im Stacheldraht verheddert und sich ein Bein schon fast durchtrennt. Mit leeren Augen schaute es uns an. Wir schnitten den Zaun durch, um das Tier zu befreien. Aber es war schon so schwach, dass es dennoch nicht weg lief und später wahrscheinlich verendete.
Nach der Grenze kam zunächst eine herrliche Asphaltstraße, dann mussten wir 70 km Schotterpiste überwinden, glücklicherweise unterstützt von Wind von schräg hinten. Immer wieder begegneten uns Fernradler, etwa 4 - 8 täglich. An Lebensalter überragten wir sie alle bei Weitem. Im Windschatten vor einer unbesetzten Polizeistation errichteten wir unsere Zelte.
So kamen wir am Dienstag, 4.2. nach nur 20km Radfahren schon mittags in Calafate an, einem kleinen Touristenort, in einem Talkessel gelegen, mit angenehmem Kleinklima und sehr grün. Die argentinische Präsidentin Kirchner hat hier ihren privaten Wohnsitz und außerhalb eine schmucke estancia.
Für zwei Tage schlugen wir unsere Zelte auf und besuchten am Mittwoch den spektakulären Parque Nacional de Los Glaciares mit dem Gletscher Perito Moreno. Die Gletscherlandschaft in dieser Region hat die Größe Hessens und ist die größte zusammenhängende Binnenland-Eismasse der Erde. Einer der Gletscher ist der Perito Moreno, dessen zerklüftete Eismasse sich auf einer Breite von 5km und 60m über dem Wasserspiegel in den Lago Argentino hineinschiebt, 1-2 cm täglich. Es war ein unvergesslicher Anblick, insbesondere wenn immer wieder Eismassen abbrachen und donnernd ins Wasser fielen.
Die beiden Abende in Calafate verbrachten wir mit Emil und Andy, unseren beiden Lufthansa-Bekannten vom Schiff, die wir hier wieder getroffen hatten. Es waren schöne Grillabende mit einem guten Wein. Alles Gute für eure Rückreise, ihr Beiden, und auf eine gemeinsame Radtour demnächst um Frankfurt.
Nach Calafate kam es dann heftig, mit kräftigem Gegenwind frontal oder seitlich von vorn. Nachts und morgens, so war unsere Erfahrung, ließ der Wind zumindest nach, um dann mittags mit heftigen Böen einzusetzen.
Der letzte Tag bis El Chalten war ein Höllentrip. Wir glaubten, den Wind durch frühes Losfahren in der Nacht überlisten zu können, aber er schlug uns unbarmherzig ein Schnippchen. 14 lange Stunden waren wir an diesem Tag auf dem Fahrrad, von 4 Uhr morgens bis 18 Uhr abends, für diese Strecke von 85km. 14 Stunden Ankämpfen gegen einen gnadenlosen, in Böen über die Pampa peitschenden Wind. Die ersten 1 1/2 Stunden waren passabel, sie ließen sich, in stockdunkler Nacht, bei normalem Gegenwind fahren. Aber dann ging es los, der kalte Wind wehte brutal von vorn und wurde zum Sturm. Mit aller Kraft mussten wir in die Pedale treten, möglich waren nur die kleinsten Gänge, der Wind pfiff uns unbarmherzig um die Ohren, die Kilometer schlichen quälend langsam vorbei, wir schafften gerade mal 4 - 5km in der Stunde. Etwa 10km mussten wir schieben, mühsam gegen den Wind gestemmt, selbst auf ebener Strecke war an Fahren nicht zu denken. Wir glaubten, nie mehr anzukommen, sahen uns schon entkräftet im Straßengraben liegen, von Geiern umkreist. Es war eine unglaubliche Kraftanstrengung, die alles überbot, was wir beide jemals erlebt haben. Aber wir schafften es, endlich, um 18 Uhr kamen wir in El Chalten an, empfangen von einem Tal, lieblich schön wie aus dem Märchenbuch, einem Kondor, der majestätisch über uns seine Kreise zog, und dem unvergleichlichen Bergmassiv des gewaltigen Fitz Roy, der den kleinen Ort steil überragt.
1 Kommentar:
Ihr kommt doch sehr gut vorwärts;)
Ich kann den Wind fühlen. Bravo, dass ihr durchgehalten habt. Weiter so, aber ich wünsche euch Rückenwind auf den folgenden Etappen.
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