6. Etappe: Die Strasse am Ende der Welt oder Der mit dem Stier kaempft



Am Mittwoch, 29.1. kommen wir endlich wieder auf die Raeder. Die Sonne strahlt, wir fahren anfangs die Kueste entlang, beobachten Schwarzhalsschwaene und Magallan-Kormorane.


 Um uns Tundra-Landschaft, niedrige Baeume und Buesche, Margaritenwiesen, Lupinen, riesige Weiden mit Schafen und Rindern, im Hintergrund schneebedeckte Berggipfel und Gletscher. Es ist eine sehr eigenartige, fremde, leicht huegelige, voellig leer wirkende Landschaft, ueber die meist ein heftiger Wind weht.


Es gibt keine Ortschaften, lediglich im Abstand von 10 - 20 km einzelne Gehoefte. La ruta del fin del mundo, die Strasse am Ende der Welt, so stand auf den Strassenschildern, und so fuehlten wir uns auch.







Gegen Abend erreichen wir nach 60km den einzigen Ort, den es hier gab, das kleine, menschenleer wirkende Cerro Castillo kurz vor der Grenze. Im Garten der Familie Cardenas schlagen wir windgeschuetzt unsere Zelte auf



. Wie die meisten hier betreiben sie Viehzucht, Rinder, Schafe, Pferde. Die Familie ist sehr gastfreundlich, unkompliziert, haeufig halten wir uns im Haus auf, unterhalten uns. Eine Nichte studiert enfermeria (Krankenpflege), eine Tochter Englisch, sie war fuer ein 3/4 Jahr in England. Das Studium ist hier teuer, kostet je nach Fach zwischen 3000 und 6000 Euro im Jahr, der Staat kommt fuer die Universitaeten kaum auf. Bei einem Monatseinkommen z.B. eines Lehrers von etwa 1000 Euro und Preisen, die nicht weit unter den unsrigen liegen, koennen sich das viele nicht leisten. Es gab im letzten Jahr deswegen landesweite Proteste und Streiks, auch Muetter und Grossmuetter gingen fuer ihre Kinder und Enkel auf die Strasse.



Am Folgetag standen dann die Torres del Paine auf dem Programm, ca. 90km entfernt, drei riesige Tuerme, uebrig gebliebene steile Vullkanschlote, die einen imposanten Gletscher ueberragen und zu den herausragenden Sehenswuerdigkeiten Chiles, wenn nicht weltweit zaehlen. Natuerlich wollten wir mit dem Rad fahren. Wir kamen ungefaehr 3km weit, in etwa einer Stunde, und dann waren wir platt. Der boeige Gegenwind war so stark, dass an ein Fortkommen kaum zu denken war. Also kehrten wir um, erkundigten uns nach Alternativen und entschieden uns dafuer, am Nachmittag mit dem Bus zu fahren. Das war bequem und dauerte eine Stunde. Im Naturpark schlugen wir unsere Zelte auf und wanderten am naechsten Tag, 4 1/2 Stunden hin, 4 1/2 Stunden zurueck bei 800m Anstieg zu den Torres.







Am Mittag erreichten wir die davor liegende Laguna und genossen einen fantastischen Blick auf diese einzigartigen Monolite. Haeufig sind die Torres wegen Nebels nicht zu sehen. Insofern hatten wir grosses Glueck, es war zwar diesig, aber selbst die Spitzen waren deutlich zu erkennen.









Thomas schaffte die Wanderung, wenn auch unter Schmerzen, trotz seiner Arthrose-Knie. Abends krochen wir zufrieden nach einem gelungenen Tag wieder in unser Zelt.

Am Samstag und Sonntag gab es dann in Cerro Castillo ein Rodeo-Turnier. Rodeo ist der Volkssport Chiles, und wir entschieden, noch einen Tag zu bleiben. Es lohnte sich. Je zwei Reiter, propper gekleidet mit Weste, Poncho, Hut, hohen Reiterstiefeln, jagen einen Stier ueber drei Runden, um ihn dann zu stoppen und an einer Wand fest zu halten. Das wurde jeweils mit Punkten bewertet, am Sonntag wurden dann die Gewinner ermittelt und geehrt. Viele Reiter unterschiedlichen Alters aus der Umgebung nahmen daran teil. Es gehoert grosses reiterisches Koennen dazu und ist eine Weiterentwicklung dessen, was die Huasos, also die chilenischen Gauchos, waehrend ihrer taeglichen Arbeit leisten muessen.




 Der juengste Sohn der Familie Cardenas nahm ebenfalls teil, zeigte bereits grosses Koennen, konnte sich aber noch nicht qualifizieren. Animalistas, also Tierschuetzer, wuerden diesen Sport heftig kritisieren, wurde uns erzaehlt, und sicherlich ist es fuer Pferde und Stiere ein erheblicher Stress. Manche Stiere gehen gegen die Pferde zum Gegenangriff vor



Und dann passierte es. Wir wollten gerade fuer eine Weile das Sportgelaende verlassen, als just in diesem Moment einem Stier mit einem riesigen Satz voellig unerwartet gelang, ueber die hohe Bruestung in den Zuschauerraum zu springen. Genau an dieser Stelle, im Ausgangsbereich, hielt Heiner sich gerade auf. So kam es, dass er unversehens einen Stier im Arm hielt, von ihm brutal umgerannt und sehr unsanft an die Holzbruestung gedrueckt wurde. Der Stier erblickte den Ausgang und rannte weiter, treppab ins Freie. Heiner blieb, reichlich geschockt, mit einer Prellung und einer Hautabschuerfung zurueck. Alles dauerte Sekunden, fuer ein Foto von Thomas reichte es leider nicht.  Die beiden Rodeo-Reiter zeigten sich sehr besorgt, es schmerzte noch einige Tage, aber erfreulicherweise ist nicht mehr passiert.

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