"Noch heute bedeutet Patagonien Herausforderung, Abenteuer, Erforschen und Entdecken. Nirgendwo ist die Natur rauer, nirgendwo ist sie verschwenderischer als in Patagonien", so Peter Glaus in seinem Buch über Patagonien. Einen Eindruck davon konnten wir in den 5 Radlertagen im argentinischen Seengebiet erhalten, die jetzt hinter uns liegen. Es waren Tage mit purer Sonne und klarem wolkenlosem Himmel. Wunderschöne, tiefblaue Seen lagen auf unserem Weg, einer schöner als der andere, in waldreicher Gebirgslandschaft gelegen, mit Unterholz aus Bambus, urwüchsig, einsam. Dazwischen saftig-grüne Wiesen mit einer Sommerflora aus Lilien, gelbem Pippau, Margeriten, Heckenrosen, Johanniskraut, Fingerhüte u.a. Und alles überragt von hohen, schneebedeckten Bergen, über denen sich immer wieder schroff ehemalige Vulkankegel erheben.



Der 1. Radtag, der 4. Januar, war eine Probetour ohne Gepäck entlang dem Lago Nahuel Huarto, der als schönster der Seen gilt, bis zu dem Ort Llao Llao, etwa 50km. Das erwies sich als sehr sinnvoll, Thomas musste einen ersten Platten reparieren, ich hatte Probleme mit der Bremse. Am 5. Januar ging es dann richtig los. Wir erschraken, als die Räder bepackt waren: es dürften fast 35 kg gewesen sein, vor allem auf dem Hinterrad türmten sich die Taschen und Behältnisse hoch auf. Obwohl wir alles genau überlegt hatten, hatten wir doch mehr mit als auf der Osteuropatour, immerhin mussten wir uns stärker für kalte Tage rüsten, dazu kamen 3 Liter Wasser, Ersatzteile für die Räder, Lebensmittel. Schwer traten wir in die Pedale. Anfangs ging es noch, ziemlich eben, den Lago entlang, die Straße gut asphaltiert, mit überschaubarem Verkehr, lediglich dicken LKWs mussten wir immer wieder auf die sandige Piste neben der Straße ausweichen. Später wurde es hügeliger, die Straße ging gnadenlos auf und ab, gefühlte 2/3 der Fahrzeit legten wir im 1. oder 2. Gang zurück, mühsam strampelnd, mit vielleicht 4 - 5 km pro Stunde, glücklicherweise bei nur geringem Wind. Am 3. Tag endete die Asphaltpiste, es kamen 30km Schotterweg, tonnenweise schluckten wir Staub, eine Vorübung auf die spätere Carretera Austral. Wir schafften am Tag gerade etwa 50km, abends waren wir geschafft. Entschädigt wurden wir durch die traumhaft schönen Seen und Landschaften. Von Bariloche aus ging es nach Villa Angostura, einem kleinen, touristischen Städtchen, vorbei am Lago Correntoso bis zum Lago Espejo. Unsere nächste Station war der Lago Falkner, dann vorbei am Lago Hermoso bis nach San Martin de los Andes. Hier haben wir heute, am Donnerstag, 9.1., den ersten Ruhetag eingelegt, erstmals bei bewölktem, regnerischen Himmel. Abends schlagen wir häufiger bei guten argentinischen Steaks zu, selbst gebraten dank unseres Benzinkochers und einer kleinen Pfanne. Von nix kommt nix, denken wir, und dazu einen guten argentinischen Rotwein, das sind herrliche Zeltabende.
Wir haben durchgehend gezeltet, auf einfachen Zeltplätzen, mit sehr einfachen sanitären Anlagen, teilweise auch gar nicht bewirtschaftet, immer direkt am See. Nachts war es teilweise eisig kalt, aber mit einem phantastischen Sternenhimmel, Das Baden im See erstreckte sich auf maximal eine Minute, länger war die Kälte nicht auszuhalten. Auf den Zeltplätzen tummeln sich scharenweise ganze Pulks von jungen Leuten aus Argentinien oder auch Chile, teils auch Radfahrer, meist aber vollbepackt mit riesigen Rucksäcken und unterwegs mit Bussen oder per Anhalter. Die Jugendlichen wirken ausgesprochen nett, ruhig und freundlich, die teils langen Schlangen etwa vor der Dusche werden mit stoischer Geduld hingenommen. Obwohl sich auf den Plätzen hunderte von überwiegend jungen Leuten konzentrieren, ist die Atmosphäre sehr angenehm und friedlich. Fast jeder hat eine Thermosflasche in der Hand für den allgegenwärtigen Mate, einen intensiven, konzentrierten Kräutertee, für den es überall heißes Wasser gab. Der Umgang ist sehr freundlich, man grüßt sich selbstverständlich (Que tal?), ist sehr hilfsbereit, es ergeben sich leicht kurze und auch längere Gespräche und wir haben deutlich mehr Kontakte als in Osteuropa. Auf dem Campingplatz am Lago Falkner wurden wir von zwei jungen Pärchen, Studenten aus Buenos Aires (von dort kommen fast alle, ein Drittel der 35 Millionen Argentinier lebt in Buenos Aires) und einem Geschwisterpaar aus Rosario zur Mate-Zeremonie eingeladen. Ein Trinkgefäß, gefüllt mit Kräutern und einem Trinkstab, an dessen Ende sich ein kleiner Filter befindet, wird von einem zum anderen gereicht, vom Gastgeber jedesmal wieder frisch mit heißem Wasser und auch Mate gefüllt. Man trinkt es jeweils aus, es sind auch nur wenige Schluck, die etwas bitter, aber lecker schmecken, und sagt erst gracias, wenn man nichts mehr möchte. Es war ein netter, unterhaltsamer Abend. Übrigens: Frankfurt kannten sie von der Frankfurter Schule, inclusive Adorno, Horkheimer und Walter Benjamin. Erstaunlich!
Außerhalb dieser Camps liegen die Seen malerisch in scheinbar unberührter Natur, die überwiegend zum Nationalpark Nahuel Huarto gehört. Es ist gerade diese Einsamkeit und Unberührtheit, die diese Landschaft von dem dicht bevölkerten Europa unterscheidet. So anstrengend es ist (aber das wollten wir ja auch), so sehr genießen wir diese Atmosphäre, dieses Draußen-sein bei Tag und Nacht, das Sich-Treiben-Lassen. Und inzwischen haben wir unseren täglichen Rhythmus wieder gefunden.
Morgen geht es weiter, zunächst mit einem kräftigen Anstieg von über 600 Höhenmetern (uff), den Lago Lacar entlang, stracks in Richtung Chile. Von dort melden wir uns dann wieder.
2 Kommentare:
Hallo ihr beiden,
Glückwunsch zum Beginn der Tour. 50 km auf Piste ist ein guter Schnitt, wenn der gegenwind hinzu kommt wird es weniger. Ist bei mir auch so. Alle Achtung euer Gepäckaufbau ist wirklich gigantisch. Dafür bin ich mit bis zu 7 l. Wasser unterwegs.
Hallo Heiner,
die Bilder machen wirklich neidisch - jedenfalls die mit toller Landschaft, die hochbepackten Fahrräder weniger...
Euch Beiden weiterhin gute und unfallfreie Fahrt!
Birgit
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