Donnerstag, 14. April 2016

8 Santa Clara, Cienfuegos, Trinidad - besondere highlights in Zentralkuba



Es war 7.oo Uhr früh, als wir in Santa Clara aus dem Nachtbus stiegen, noch reichlich verschlafen, und unsere Räder wieder zusammen bauten. Wir mussten jeweils Sattel, Vorderräder und Kleinteile abbauen, damit sie in den Kofferraum des Busses passten. Aber kein Problem, inzwischen hatten wir Routine. Dann ging es gleich zu unserem Quartier "El Castillito" bei José Fernandez Gonzalez in der Calle Cespedes im Zentrum der Stadt. Dort waren wir, wie fast immer, von unserem vorherigen Casa Particular bereits angemeldet. Hier funktioniert vieles über Netzwerke, man wird von einem Casa zum nächsten weiter vermittelt und kann sich auf die Qualität und die Freundlichkeit der Vermieter verlassen. So wurden wir denn mit einem üppigen Frühstück empfangen und erhielten Infos über die Sehenswürdigkeiten der Stadt.




Santa Clara ist die Stadt Che Guevaras. Hier wurde er bestattet, nachdem seine sterblichen Überreste erst 1997 in Bolivien gefunden und von Millionen Kubanern enthusiastisch empfangen nach Kuba überstellt wurden, hier wurde eine eindrucksvolle, monumentale Gedenkstätte für ihn errichtet. In der Nähe des Stadtzentrums ist der "Tren blindado" zu sehen, der gepanzerte Zug, in dem der Diktator Batista Truppenverstärkungen und Munition geschickt hatte und dessen Einnahme im Dezember 1958 den Sieg brachte. Mit nur 150 Mann war es Che Guevara nach einem zermürbenden Marsch über die halbe Insel gelungen, die Stadt Santa Clara einzunehmen.



Aber auch über diese Historie hinaus hat uns Santa Clara gut gefallen. Sie ist eine Studentenstadt, sehr lebendig mit einer schönen Fußgängerzone, die Menschen sind modisch und schick gekleidet, viele nette Geschäfte bieten ein passables Warenangebot. Im Straßenbild fallen nachmittags, wie auch in anderen Städten, Gruppen von Kindern und Jugendlichen auf, die stolz mit ihren Schuluniformen unterwegs sind, je nach Schulstufe in unterschiedlichen Farben. Bildung wird in Kuba sehr hoch geschätzt, das Land gibt im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt erheblich mehr dafür aus als Deutschland, der Zugang ist vom Kindergarten bis in die Universität kostenlos.




Alle Kinder gehen selbstverständlich zur Schule, das wurde uns immer wieder bestätigt und darauf legen Eltern großen Wert. In Lateinamerika ist das alles andere als selbstverständlich. Und wir haben nirgendwo Kinderarbeit gesehen, auch darin unterscheidet sich das Land positiv vom übrigen Lateinamerika. Die große Mehrheit der Absolventen geht nach der Oberschule zur Universität. Ähnlich wie bei uns hört man auch hier zuweilen Klagen, dass niemand mehr einfache, handwerkliche Berufe ergreifen möchte. Allerdings kann das Land der hohen Zahl wirklich gut ausgebildeter Menschen keine adäquate Berufsperspektive bieten, darin liegt ein erhebliches Problem und eine Quelle von Unzufriedenheit.


Wir blieben nur einen Tag in Santa Clara. Gegen Abend kam wieder eine frente frio, eine Kaltfront. Es war bitterkalt, als wir auf der schönen Terrasse unser cena, unser Abendessen einnahmen: Shrimps.

Am nächsten Tag ging es weiter ins 70 km entfernte Cienfuegos, die Strecke war gemütlich, eben, mit viel Zuckerrohr links und rechts, und vor allem jetzt wieder Sonne pur. Gegen Abend kamen wir im "Hostal Aday" an, bei Aday Diaz Suarez, die ein Zimmer mit einem Wohnraum davor vermietet. Wir haben uns hier besonders wohl gefühlt, die Wohnung ist mit alten Möbeln und Bildern sehr geschmackvoll eingerichtet und zum Frühstück oder zum Abendessen gab es immer Zeit für nette Gespräche.


Aday ist Juristin von Beruf, hat lange als Anwältin gearbeitet und damit etwa 40$ im Monat verdient. Für die Hausrenovierung musste sie einen Kredit aufnehmen und jetzt monatlich 15$ zurück zahlen. Derzeit lebt sie von der Vermietung des Zimmers. Im Haus leben noch ihre Eltern und ihre beiden Kinder von 14 und 9 Jahren, die sie alleine erzieht. Sehr nette Kinder, wie wir fanden. Aber es sei schwierig mit den Kindern heutzutage, meinte sie. Der 14-Jährige habe alles im Kopf, nur nicht die Schule, und er höre auch nicht mehr wirklich auf sie. Irgendwie kam uns das sooo bekannt vor.

Cienfuegos, die "Perla del Sur", war die Stadt, die uns in Kuba, nach Habana natürlich, am meisten begeistert hat, und wir blieben gleich drei Tage. Sie zählt zu den jüngsten Städten Kubas, wurde von französischen Siedlern gegründet, und es ist wohl dieses Flair, das sich bis heute bewahrt hat. Blitzsauber, mit vielen tadellos erhaltenen Prachtbauten in Neoklassizismus oder Jugendstil, alles in blendendem Weiß,  strahlt sie eine besondere Eleganz aus.





Die Stadt ist belebt, aber von den Einheimischen geprägt, die Zahl der Touristen ist überschaubar. Mehrfach schlenderten wir entlang des Prado, vor zum Malecon, durch die Avenidas und den Boulevard, die Fußgängerzone, mit schönen Geschäften und vor allem vielen ansprechenden Kunstläden. Die Stadt machte einen wohlhabenderen Eindruck als andere Städte Kubas. Begeistert hat uns der Parque Marti, sehr schön gestaltet und umgeben von imposanten Bauwerken wie dem Teatro Tomás Terry, dem Museo Provincial oder der Catedral de la Purisima Conzepción, alles prunkvolle Paläste. Und wir liefen vor zur Halbinsel "Punta Gorda", vorbei an der Casa Verde und dem Palacio Azul bis zum großartigen "Palacio del Valle", der viele maurische Stilelemente aufweist.



Am Samstagabend spielten auf dem Boulevard mehrere Live-Bands flotte kubanische Musik, das Leben spielte sich auf der Straße ab, schnell kam man in Kontakt zu unterschiedlichsten Menschen, überall wurde getanzt, und wir natürlich mittendrin. Am nächsten Tag machten wir einen Rad-Ausflug zur Laguna Guanaroca, mit einem Ruderboot ging es auf den See hinaus zu einer Kolonie von Flamingos, die sich hier als Wintergäste aufhalten. Mittags ließen wir am Stand "Playa Rancha Luna" die Seele baumeln. Es waren herrliche, unvergessliche Tage in Cienfuegos.



Morgens fuhren wir früh mit dem Rad los, wir wollten vor den "Fumigadores" wegkommen, die planmäßig Haus um Haus abklappern, um es zu desinfizieren und die für heute bei Aday angekündigt waren. Wir hatten da so unsere Erfahrungen. Aber es ist Teil der Gesundheits-Kampagne gegen den Virus "Zika", die in ganz Kuba unter Einbeziehung der Armee durchgeführt wird. Wir radelten über etliche "rolling hills", ziemlich heftige Hügel, bis zur Bucht "Guajimico".


Dort gibt es eine Ferienanlage mit hübschen Holzhäuschen, einer Vollpension für 38$ pP mit wirklich hervorragendem Buffet. Da konnten wir natürlich nicht vorbei fahren, zumal es Möglichkeiten zum Tauchen und Schnorcheln gab. Wenn wir das wetterbedingt in Maria La Gorda schon verpasst hatten, hier kamen wir auf unsere Kosten. Wir genossen den Strand, die schöne Bucht und schwammen mehrfach zum Schnorcheln hinaus.


Es gab eine herrliche Unterwasserwelt, unterschiedliche Korallen, bunte Fische in allen Farben, Diskus, Kugelfische, Hechte u.a. Einfach herrlich. Wir blieben zwei Tage, abends gab es köstliches Essen und danach wurde in der Bar zu heißer Musik Salsa und Marenge getanzt. So gut wir das eben konnten. Das Leben ist schön.
Am Tag darauf ging es weiter nach Trinidad, das nur 45 km entfernt liegt.


Trinidad ist eine wirklich schöne Stadt, ein geschichtliches Kleinod, mit kolonialem Flair, vielen interessanten historischen Bauwerken, engen Straßen und Gässchen mit Kopfsteinplaster. Aber es wirkt auch irgendwie museal, ist rammelvoll mit Touristen und von daher ein bisschen wie Rüdesheim. Aber die Stadt ist auf jeden Fall sehenswert und gilt zurecht als eine der schönsten Kubas. Wir streiften durch die Stadt, besuchten das "Casa de Trova" und saßen abends auf der großen Treppe am Plaza Mayor, um der Live-Musik zuzuhören und die tolle, entspannte, friedvolle Atmosphäre zu genießen.




An einem Tag unternahmen wir einen Rad-Ausflug ins "Valle de los Ingenios", in das Tag der Zuckermühlen, vorbei an ehemaligen Herrenhäusern, Zuckermühlen, bis zum "Torre Manaca Iznaga", ein Turm, von dessen Plattform aus man die schwarzen Sklaven gut überwachen konnte.



Zwei Monate sind eine lange Zeit und wir wurden überall dafür beneidet. Aber auch sie gehen um, und verglichen mit unseren mehr-monatigen Reisen in Asien und Patagonien war es sogar überschaubar. So fuhren wir denn mit dem Viazul-Bus zurück nach La Habana, wurden dort zum dritten Mal herzlich von Elizabeth begrüßt und flogen drei Tage später nach Deutschland zurück, mitten hinein in den beginnenden Frühling.
Kuba hat uns tief beeindruckt, sein Charme und sein besonderes Flair hat uns eingefangen und wir haben sehr viel Sympathie für dieses Land und seine Menschen entwickelt. Kuba ist ein armes Land, und auch die Errungenschaften der Revolution, auf die die Kubaner stolz sind, könnte man von der hohen Warte eines entwickelten Landes mit Geringschätzung betrachten. Nicht aber, wenn man das Land realistischerweise mit vergleichbaren Ländern in Südamerika und der Karibik vergleicht.


Da ist die faszinierende Kultur und Musik ohnehin, die Freundlichkeit und Entspanntheit der Menschen, die friedvolle Atmosphäre, die sehr geringe Kriminalitätsrate. Auch wenn sich das durch Tourismus und doppeltes Währungssystem allmählich verändert, besteht immer noch eine weitgehende soziale Gleichheit der Menschen, die zu dieser Atmosphäre sicher wesentlich beiträgt, es gibt nicht die unglaublich arrogante, abgehobene, korrupte und meist weiße Oberschicht, die die meisten anderen lateinamerikanischen Länder krakenhaft beherrscht und auslaugt. Trotz aller wirtschaftlichen Probleme ist die soziale Grundversorgung der Bevölkerung, die kostenlose Medizin und der Wert einer guten Ausbildung nie in Frage gestellt worden. Zurecht ist Kuba stolz darauf, dass es sich über Jahrzehnte den unterschiedlichsten Methoden der US-amerikanischen Aggression erfolgreich widersetzt hat und sich nicht zum Hinterhof der USA herabwürdigen ließ. Gewiss, die politische Verfasstheit des Landes entspricht nicht unseren Vorstellungen. Zwar wurde in vielen Gesprächen sehr offen Kritik geübt und auch betont, dass das Land freier geworden sei.


Aber im öffentlichen Leben ist Kritik eher unerwünscht. Es gibt keine Debatten über die drängenden Probleme und die Zukunft des Landes, alles wird wie unter einer Käseglocke gehalten. Es ist spürbar, dass sich immer mehr Druck aufbaut, gerade für jüngere Menschen sind die Errungenschaften der Revolution längst zur Selbstverständlichkeit geworden, das unsagbare Elend der Batista-Zeit und die oft beschworenen Heldentaten der Revolution sind Geschichte, die für sie keine Bedeutung mehr hat. Sie sehen die zahlreichen Touristen und ihren Wohlstand, sie wollen nach Jahrzehnten des Mangels endlich wirtschaftliche Fortschritte sehen, sie orientieren sich am westlichen Lebensstil. "Cuba needs a change", das haben wir öfter gehört.


Mit der Öffnung zu den USA verbinden sich viele Ängst und Hoffnungen. Hoffnungen auf ein Ende der Blockade, die dem Land schweren Schaden zugefügt hat, Hoffnungen auf ein besseres Leben, auf mehr Freiheit. Ängste, dass sich die USA als Herren aufspielen, Ängste, dass eine kapitalistische Entwicklung einsetzt, die das egalitäre Wertesystem hinwegfegt, wenigen nutzt, soziale Strukturen vernichtet und große Teile der Bevölkerung ins Elend stürzt, Ängste, dass mafiose Strukturen wieder kommen und wie in anderen lateinamerikanischen Ländern Kriminalität, Korruption, Drogen und Gewalt alles zerstören, was erreicht wurde, Ängste, dass die ehemaligen Eliten aus Miami zurückkommen und ihre früheren Latifundien und Besitztümer zurück fordern. Wir teilen diese Befürchtungen, dass die trügerischen Lockungen des Dollars eine Dynamik in Gang setzen, die kaum noch beherrschbar ist. Bislang geht die Regierung mutige Schritt hin zu einer Öffnung, mit der Aufnahme des regulären Linienflugverkehrs mit den USA, dem Ausbau eines Hafens bei Habana und der Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen, um ausländische Investoren anzulocken. Es ist ein gefährlicher Ritt. Wir hoffen sehr, dass Kuba nicht von Mc Donalds und Starbucks übernommen wird, sondern mit Vorsicht und Bedacht vorgeht und vor allem elementare Werte der Revolution nicht über Bord wirft. Dass es erhalten bleibt als wunderschönes Land, mit seiner besonderen Atmosphäre und als kleine, mutige Enklave der Hoffnung in einer durch und durch kapitalistischen Welt.

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