4. Etappe: Puerto Montt - Den Pazifischen Ozean in Sicht

Montag, 21.1.2014, 15:52 Uhr, regnerisches Wetter, der Himmel grau bewölkt. Und dennoch, ein Tag von historischer Bedeutung. Thomas und Heiner erblicken auf ihrer Radtour durch Patagonien erstmals den Pazifischen Ozean. In Regenkleidung gehüllt, mit müden Oberschenkeln von zahlreichen heftigen Anstiegen machen wir auf einer Anhöhe Halt. Vor uns liegt die Stadt Puerto Montt, dahinter eine breite Bucht, und danach bis zum Horizont das offene Meer, der Pazifische Ozean. Damit haben wir unser erstes großes Etappenziel, die Durchquerung der argentinischen und chilenischen Seenplatte, die Überschreitung der Anden mit dem Fahrrad und die Erreichung von Puerto Montt ca. 300km südlich von Valdivia erreicht.

Wer unsere Strecke im Film mitverfolgen will: Hier der Link:
Film Radtour Patagonien 1 "Von Bariloche bis Puerto Montt"


Herrliche Radtage liegen hinter uns. Bei strahlendem Sonnenschein, spätestens ab mittags stechend heiß, mit einer UV-Strahlung, von 11+, das Ende der Mess-Skala.


Erst gestern kam der Regen, lange herbei gesehnt von den Menschen hier, denn die Erde war durch lange Trockenheit ausgedörrt. Übrigens: Heiners Fahrrad lief wieder, neu eingespeicht, allerdings mussten wir die Speichen nochmals nachziehen. Und das Tretlager knackt verdächtig, so dass wir es hier nachschauen lassen. Es muss immerhin noch mehr als 2000 km durchhalten.

Einen Ruhetag blieben wir am Strand des Lago Ranco, in Coique, auf einem Super-Campingplatz, mit je eigenem Bad und eigenem überdachtem Sitzplatz. Dazu ein wunderschöner Strand, wir konnten baden, uns in der Sonne aalen und das Leben genießen. Um uns fast nur chilenische Familien, meist aus Santiago (auch in Chile leben ein Drittel der 18 Mio Bewohner im Großraum Santiago), meist mit großem Auto oder Vierrad, die hier ihren Jahresurlaub verbringen.










Am Samstag fuhren wir 100 km bis Osorno, meist Nebenstraßen, gut fahrbar auf und ab, vorbei an Viehweiden, Wäldern und einzelnen hölzernen kleinen Farmershäusern. Ärgerlich für uns ist, dass alles eingezäunt ist, es ist schon schwierig, einen Platz für das Mittags-Picnic oder eine siesta zu finden, überall sind Stacheldrahtzäune. Osorno hat uns nicht sonderlich beeindruckt.

Mittagspause im Bushäuschen








Riesige Blaubeerfelder


tausende von plumpen, großen Vögeln mit langem Schnabel auf den Viehweiden

 Am Sonntag folgten 80 km über Puerto Octay am Lago Llanquihue bis Frutillar, am gleichen See gelegen. Beides sind nette, kleine Städte, vor allem Frutillar recht touristisch, nicht Frutillar alto, sondern Frutillar bajo unten am See..

Weltenbummler Eddy aus England und Marcel aus Holland, getroffen iun Puerto  Octay

 Frutillar, zu deutsch Erdbeerhausen, ist wie die meisten Orte hier von deutschen Siedlern gegründet worden. Mehrere Menschen, die wir hier trafen, berufen sich auf deutsche Vorfahren, und überall wird "Kuchen" und "Strudel" angeboten. Auf der sehr schönen Strecke von Puerto Octay bis Frutillar sind viele, teils recht herrschaftliche deutsche Bauernhäuser zu bewundern, dort bietet Tante Valy ihren Kuchen an. In Frutillar wohnten wir für eine Nacht in einem kleinen, verwinkelten, urigen Holzhäuschen bei einer abuela (Großmutter), die deutscher Abstammung ist und erzählte, dass ihre Großeltern noch deutsch sprachen. Sie selber habe das nach einigen erfolglosen Versuchen aufgegeben, bedauerte sie.







Die deutschen Siedler kamen ab 1852 in diese Gegend, ein Monument im Hafen von Puerto Montt erinnert namentlich an Familien aus Hessen, Sachsen, Schlesien und anderen Landesteilen, die mit dem Schiff "Susanne" hierher kamen, um das Land zu kolonisieren.  Viele andere kamen nach Tatsächlich ist dieser Teil Chiles erst sehr spät besiedelt worden, er galt lange als schroff und unwirtlich und hat auch heute noch einen frontier-Charakter mit den Wild-West-Städtchen aus bunt zusammen gewürfelten Holzhäusern und der teils unberührten Natur. Den Siedlern wurden umsonst große Landflächen angeboten, um sie zu kultivieren. Man "übersah" dabei, dass dieses Land längst besiedelt war. Es war das Siedlungsgebiet der Mapuche und anderer indigener Stämme, Seen und viele Orte tragen Mapuche-Namen. Panguipulli z.B. heißt "Heimat der Löwen" (Danke, liebe Susanne), und dort leben heute noch Pumas in freier Wildbahn. Erste Besiedlungsversuche Anfang des 18. Jahrhunderts wurden nach einem Mapuche-Aufstand wieder aufgegeben. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Mapuche mit der neu einsetzenden Besiedlung stark dezimiert und zurückgedrängt, durch eingeschleppte Krankheiten, sie wurden aber auch als angebliche Viehdiebe oder ohne weitere Gründe  in großem Stil abgeschossen. Heute macht die indigene Bevölkerung kaum mehr als 5% der Bevölkerung in Chile aus, Spuren haben sie insofern hinterlassen, als die Menschen überwiegend Mestizen sind, also Mischlinge zwischen eingewanderten Europäern und Indianern. In den letzten Jahren gibt es wieder heftige Konflikte zwischen Mapuches und Grundbesitzern, die Mapuche-Land für sich beanspruchen. Diese Konflikte werden teils mit Gewalt ausgetragen, es gab und gibt immer wiedcr Tote. Polizei und Armee werden eingesetzt, in der Regel gegen die Mapuches. Davon berichteten im letzten Jahr südamerikanische Zeitungen und jetzt aktuell Veronica Rocca. Auch in dieser Hinsicht ist der Wilde Westen längst nicht vorbei.

Soweit ein kurzer historischer Exkurs. Wir bekommen von den Konflikten direkt nichts mit, bislang sind wir auf unserer Route nicht durch direktes Mapuche-Gebiet gekommen. Wir genießen die schöne Bilderbuchlandschaft, das Radfahren ist anstrengend, vor allem, weil wir in diesen Tagen doch große Distanzen bewältigt haben, aber es macht Spaß, ist abwechslungsreich und die Straßen sind gut asphaltiert. Besonders schön war die Strecke von Frutillar bis Llanquihue entlang des gleichnamigen Sees, etwas getrübt durch den einsetzenden Regen.



Auffallend ist für uns die ausgeprägte Freundlichkeit und Höflichkeit der Menschen. Überall ergeben sich leicht Kontakte, überall begrüßt man sich, Autofahrer verhalten sich sehr zurückhaltend und halten für Fußgänger, selbst wenn kein Zebrastreifen vorhanden ist.

Bis Freitag bleiben wir in Puerto Montt, wohnen hier in einem gemütlichen Backpacker-hostel bei der sehr netten Gastgeberin Veronica Rocco, bewundern ihren tanzenden Pudel, sehen dem strömenden Regen draußen  ganz entspannt zu, unterhalten uns mit anderen Reisenden aus aller Welt und genießen es, auch einmal nicht in die Pedale zu treten. Wir besuchten den Fischmarkt am Hafen mit vielen netten kleinen Essenslokalen und einem großen Angebot an frischem Fisch und Meeresfrüchten, wofür Puerto Montt bekannt ist.  Thomas aß einen Riesenteller Curano, den typischen Eintopf mit Muscheln, mariscos, Wurst und Speck. Ab Freitag kommt dann unsere viertägige Schiffsreise, aber davon dann später.









2 Kommentare:

Cycling the world hat gesagt…

tolle bilder

Hildegard hat gesagt…

Fisch und Meeresgetier sehen lecker aus. Lasst euch nicht vom Wind wegbl
asen oder vom Regen wegspülen. Bin schon gespannt auf die Fortsetzung eurer Tour.