Donnerstag, 27. November 2014

06 Bei einem Bergvolk in Nord-Laos


Es wirkt wie eine Idylle: Ein kleines Dörfchen, auf dem Gipfel eines Berges mit traumhaftem Rundblick. Viele Kilometer von der nächsten Straße entfernt, nur über Buschpfade  nach stundenlangem, beschwerlichem Fußmarsch erreichbar. Bestehend aus einfachen Bambushütten, auf Pfählen stehend, jeweils mit nur einem Raum mit Feuerstelle. Hier leben 14 Familien mit nur 70 Menschen, Angehörige der Kmuh, eines der zahlreichen Bergvölker von Nord-Laos.





 Sie leben noch so, wie wir es uns kaum noch vorzustellen vermochten. Ohne Elektrizität, Wasser wird aus einem nahen Bach geholt, auf der Frage nach einer Toilette werden wir auf den Wald verwiesen.
In einer kleinen Schmiede wird das Holzfeuer mit einem handbetriebenen Föhn angefacht, um Nägel aus einer Eisenstange zu schmieden.


Überall zwischen den Häuschen picken Hühner mit Küken im Schlepptau hinterher rennend, einige sitzen in Körben und brüten Eier aus, Hähne krähen, Schweine tummeln sich, Ferkel balgen oder säugen an ihrer Mutter, Gänse und Enten watscheln quakend umher. Es ist ein buntes Treiben, abends kommen Ziegen und wenige Kühe ins Dorf zurück und werden in ihre Ställe geführt. Ein rhythmisches Stampfen zeugt davon, dass mit einem einfachen Gerät Reis bearbeitet wird: Mit einem Holzstampfer, per Hebelwirkung mit dem Fuß auf und ab bewegt, werden die Spelzen vom Reiskorn gelöst, anschließend zunächst durchgesiebt und durch Hochwerfen endgültig vom Reis getrennt. Ganz schön anstrengend, wie wir selbst erfahren können. Auf uns wirkt das Leben sehr geruhsam und naturverbunden. Einige Familien kommen gegen Abend von den Reisfeldern zurück, die Tiere werden gefüttert. Die Schweine sind ganz verrückt nach dem mit Wasser vermischten Reismehl, was beim Stampfen auch entstanden ist. Vor den Hütten oder innen drin wird das Feuer angezündet und Abendessen zubereitet.




Für eine Nacht, von mittags 16.oo bis zum nächsten Morgen um 10.oo Uhr leben wir in diesem Dorf mit. Es ist Teil einer zweitägigen Trekking-Tour, mit der wir unsere Fahrt von Huay Xai bis Luang Namtha unter brechen und die wir von Vieng Phuoka aus in den Nationalpark Nam Ha unternehmen. Ganz bewusst wählen wir eine Tour abseits der größeren Trekking-Anbieter in Luang Namtha,  und ganz offensichtlich wurden sowohl die Route als auch das Dorf , zu dem uns unser einheimischer
Guide Kam führt, bisher kaum von Touristen besucht. Zunächst fahren wir eine gute halbe Stunde auf der Ladefläche eines Pickup, dann geht es auf schmalen, kaum sichtbaren Pfaden durch den Urwald. Teilweise muss der Weg erst mit der Machete frei geschlagen werden. In der Nacht zuvor hatte es geregnet, die Wege sind voller Matsch und rutschig, immer wieder gleiten wir aus, der Matsch bleibt wie Klebereis an den Schuhen kleben, die immer schwerer werden.



Aber es ist eine phantastische Strecke, vorbei an gigantischen Baumriesen, durch Bambusgestrüpp unter herunter hängenden Lianen, blühenden Orchideen, ab und zu wird der Blick frei in die uns umgebende Bergwelt. Überall ist ein intensiver Duft der verschiedensten Arten exotischer Kräuter in der Luft. Der monotone Ton der Zikaden ist fortwährend zu hören. Kam weist uns auf wild wachsende Früchte hin, auf Pflanzen, die in der Naturmedizin genutzt werden, wir riechen die Düfte verschiedener Blätter und Triebe und kosten den Geschmack der Kardamon-Wurzel. Wir kommen an Fallen vorbei, mit denen die Menschen mit einfachsten Mitteln Ratten und Kleinsäuger fangen, Sie gelten als Köstlichkeiten. Es ist eine faszinierende Welt, in die wir eintauchen.

Besonders lecker ist das Kräuter-Süppchen, das wir mittags in einer Bambushütte essen. Es wird komplett mit Naturmaterialien hergestellt, in der Höhlung von zwei Bambus-Stämmen gekocht und in einem weiteren Bambusstamm aus geschenkt. Aus Bananenblättern werden Löffel gefertigt, dazu gibt es Klebereis, der mit der Hand in die Flüssigkeit eingetaucht wird. Es schmeckt hervorragend.


Wir übernachten zu viert auf dem Boden einer Hütte, die von ihren Bewohnern, einem jungen Ehepaar, für diese Nacht geräumt wird. Die Sonne bestimmt den Tagesablauf, wir gingen früh zu Bett und standen früh am Morgen wieder auf, ähnlich wie die übrigen Dorfbewohner. Nachts wurden wir lediglich durch die Schweine gestört, die im Untergeschoss unseres Häuschens lagen und immer wieder laut grunzend für Unruhe sorgten. Eindrucksvoll für uns war eine Zeremonie, die für uns am Abend veranstaltet wurde. Nach dem Abendessen kamen das Dorfoberhaupt und einige weitere Dorfbewohner, begrüßten uns sehr herzlich und bereiteten sorgfältig, auf Bananenblättern ausgebreitet, eine Kreation von Kräutern, gekochten Eiern und weißen Baumwollbändchen vor. Von feierlichen Beschwörungen begleitet wurden uns die Bändchen um die Unterarme gebunden, um böse Geister zu bannen und uns Glück für unsere weitere Fahrt zu wünschen. Dazu aßen wir die Eier zusammen mit den Kräutern und es gab reihum Lau Lao, hoch prozentigen Reisschnaps, der uns hervorragend schmeckte. Zunächst bewirkte der Schnaps jedenfalls, dass wir sehr gut schliefen, trotz der "Schweinerei" direkt unter uns.

Wie lange noch wird sich diese ursprüngliche, paradiesisch anmutende Lebensweise erhalten? Und ist sie wirklich so paradiesisch? Das Leben ist irgendwie geruhsam, dafür von harter Arbeit, von sich täglich wiederholenden, einfachen Tätigkeiten geprägt, von Eintönigkeit, minimalem Lebensstandard. Unentbehrliche Nahrungsgrundlage ist Bergreis, selbst angebaut und die Ähren mühsam am Steilhang mit den Händen gepflückt.


Ergänzt durch selbst gezüchtete oder gejagte Tiere und die Kräuter des Urwaldes. Schweine und Rinder werden meist verkauft, um etwas Geld für den übrigen Bedarf einzunehmen.



 In den Bergen von Nordlaos zur Grenze nach China leben viele solche '"hill-tribes", Bergvölker, wir trafen auf Akha, Kmuh, Lahu, Lanten, jede mit ihrer eigenen Sprache, von denen es in Laos 68 gibt. Es sind im Gegensatz zu den Lao keine Buddhisten, sondern Animisten, bei ihnen bestimmen gute oder böse Geister und die Seelen der Ahnen über den Verlauf des Schicksals. Es gibt in diesen Dörfern kaum eine Krankenversorgung, immer wieder sterben Menschen, vor allem Kinder, an Infektionen, die eigentlich geheilt werden könnten. Kinder verlassen wochenweise das Dorf, um zur Schule zu gehen, allerdings völlig unzulänglich, meist wird der Schulbesuch frühzeitig beendet, weil sie zu Hause mitarbeiten müssen. Die Analphabetenrate in Laos ist sehr hoch, bei Männern 30%, bei Frauen 60%, hier in diesen Dörfern ist sie sicherlich sehr viel höher. Wie wird "unser" Dorf wohl in 20 Jahren aussehen? Diese Frage hat uns lange beschäftigt.




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